Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
mit Rüstungen der Feinde und anderen sehenswerten Schaustücken, jeweils so drapiert, daß die Zuschauer ein Stück nach dem anderen anschauen und bewundern konnten. Danach kamen Wagen mit Löwen in Käfigen, mit exotischen Affen und Äffchen, und zwei Dutzend Elefanten, die beim Gehen mit ihren großen Ohren fächelten. Alle sechs Legionen des africanischen Heeres sollten mitmarschieren.
    Die Soldaten mußten allerdings zuerst ihre Speere, Dolche und Schwerter abgeben. Stattdessen bekamen sie hölzerne, mit Siegeslorbeer bekränzte Stäbe.
    »Und daß ihr mir nicht einschlaft! Marschieren sollt ihr, ihr Bastarde!« brüllte Marius, als die Soldaten abmarschbereit auf dem abgetretenen Rasen vor der Villa Publica standen. »Ich muß zur sechsten Stunde auf dem Kapitol sein, ich kann also nicht auf euch aufpassen. Aber wehe, ihr macht mir Schande! Dann helfen euch auch die Götter nicht, fellatores !«
    Sie liebten es, wenn er so obszön zu ihnen sprach. Aber, dachte Sulla, sie liebten ihn, egal was er sagte.

    Auch Jugurtha marschierte im Triumphzug mit, angetan mit seinem königlichen Purpurgewand. Um den Kopf hatte er zum letzten Mal das mit Quasten behängte weiße Band geschlungen, das »Diadem«, und um Hals und Arme trug er goldene Ketten, Ringe und Reifen, die in der frühen Morgensonne blitzten. Es war ein strahlender Wintertag, weder besonders kalt noch übermäßig windig. Neben Jugurtha gingen seine beiden Söhne, gleichfalls in Purpur gekleidet.
    Jugurtha war wie betäubt in Rom angekommen. Damals, als er mit Bomilkar Rom verlassen hatte, hatte er fest geglaubt, daß er nie wieder zurückkehren würde. Jetzt war er wieder hier; in der Terrakotta-Stadt mit den leuchtenden Farben - den bemalten Säulen, den bunten Wänden und den vielen Statuen, die so lebendig wirkten, als würden sie jeden Augenblick anfangen zu beten, zu kämpfen, zu reiten oder zu weinen. Das Weiß Africas fehlte in Rom völlig. Man baute hier nicht mehr viel mit Lehmziegeln, und man kalkte die Wände nicht weiß, sondern malte sie farbig an. Überall Hügel und steile Abhänge, weite Parks, schlanke Zypressen und schirmförmige Pinien, dazu auf hohen Sockeln aufragende Tempel, auf deren obersten Giebeln geflügelte Siegesgöttinnen die Peitsche über vierspännigen Quadrigen schwangen, und die langsam wieder grünende Narbe, die das große Feuer auf dem Viminal und dem oberen Esquilin hinterlassen hatte. Rom, die wohlfeile Stadt. Was für eine Tragödie, daß er nicht das Geld hatte auftreiben können, sie zu kaufen! Wie anders wäre dann vielleicht alles gekommen.
    Quintus Caecilius Metellus Numidicus hatte Jugurtha bei sich aufgenommen, als Ehrengast, der allerdings das Haus nicht verlassen durfte. Im Schutz der Dunkelheit hatte man ihn hergebracht, und seit Monaten wohnte er jetzt hier. Die Loggia mit Blick auf Forum und Kapitol war ihm versperrt, er konnte nur wie ein gefangener Löwe, als der er sich auch fühlte, im Garten des Peristyls auf und ab schreiten. Sein Stolz ließ nicht zu, daß er sein Äußeres vernachlässigte. Täglich rannte er auf der Stelle, streckte sich zu seinen Zehen hinunter, machte Schattenboxen und zog sich mit den Armen an einem Ast wie an einer Stange empor, bis er das Holz mit dem Kinn berührte. Wenn er in Gaius Marius’ Triumphzug marschierte, sollten sie ihn bewundern, die Römer von der Straße - sie sollten erkennen, daß er ein gewaltiger Gegner gewesen war, kein verweichlichter orientalischer Potentat.
    Zu Metellus Numidicus hatte er Abstand gehalten. Er wollte nicht das Selbstbewußtsein des einen Römers auf Kosten des anderen stärken - für seinen Gastgeber eine herbe Enttäuschung, wie Jugurtha sofort spürte. Numidicus hatte gehofft, Jugurtha werde ihm Beweise dafür liefern, daß Marius seine Stellung als Prokonsul mißbraucht hatte. Daß Numidicus leer ausging, war für Jugurtha eine geheime Genugtuung. Er wußte, vor welchem Römer er Angst gehabt hatte, und er war froh, daß jener Römer ihn bezwungen hatte, nicht Numidicus. Natürlich war Numidicus ein vornehmer Patrizier, auf seine Art auch ein integrer Mensch, aber als Mann und Soldat konnte er Gaius Marius nicht entfernt das Wasser reichen.
    Für Metellus Numidicus war Gaius Marius natürlich nur ein Bastard, aber gerade Jugurtha wußte sehr gut, was es hieß, ein Bastard zu sein, und das erfüllte ihn mit einer seltsam unsentimentalen Zuneigung zu Marius.
    In der Nacht vor Gaius Marius’ Einzug in Rom als Triumphator und als zum

Weitere Kostenlose Bücher