MoR 01 - Die Macht und die Liebe
dreißig Tagen zurückerstatten sollte. Als er dazu erwartungsgemäß nicht in der Lage war, gaben sie ihm eine weitere Frist von dreißig Tagen. Als auch dann keine Aussicht auf Rückzahlung bestand, gingen sie zu seinem Vater, um das Geld zurückzufordern - mit enormen Zinsen. Der Vater weigerte sich und enterbte seinen Sohn. Der wurde verrückt.
Als nächstes ließ der junge Titus Vettius sich ein Diadem aufsetzen und ein purpurnes Gewand anlegen. Er erklärte sich zum König der Campania und rief alle Sklaven dieser Region auf, sich zu erheben. Ich muß sofort hinzufügen, daß der Vater zu den tüchtigen Großbauern alten Schlages gehört - er behandelt seine Sklaven gut, und unter ihnen sind keine Italiker. In nächster Nähe wohnte allerdings einer jener fürchterlichen Großbauern, die ihre Sklaven neuerdings zu einem Spottpreis einkaufen, sie gefesselt arbeiten lassen, sie nicht fragen, woher sie kommen, und sie zum Schlafen in schmutzigen Baracken anketten. Dieser gemeine Bursche hieß Marcus Macrinus Mactator, und es stellte sich heraus, daß er ein großer Freund Deines Mitkonsuls, unseres so überaus aufrechten und ehrbaren Gaius Flavius Fimbria war
An dem Tag, als der junge Titus Vettius den Verstand verlor, kaufte er fünfhundert ausgemusterte Paraden-Rüstungen, die eine Gladiatorenschule versteigerte, und bewaffnete seine Sklaven damit. Die kleine Armee marschierte geradewegs zum Wohnsitz des Sklavenschinders Marcus Macrinus Mactator. Die Sklaven folterten und töteten Mactator und seine Familie und befreiten eine große Zahl von Sklaven, von denen viele den Völkern unserer italischen Bundesgenossen angehörten und daher widerrechtlich als Sklaven festgehalten worden waren.
In kürzester Zeit gebot der junge Titus Vettius, der König der Campania, über eine viertausend Mann starke Armee von Sklaven und hatte sich auf einem Hügel in einem gut befestigten Lager verschanzt. Und weitere Sklaven strömten seiner Armee in Scharen zu! Capua verbarrikadierte die Tore, ließ die Gladiatoren der Gladiatorenschulen aufmarschieren und rief den Senat in Rom um Hilfe an.
Fimbria jammerte laut und vergoß dicke Tränen über den Tod seines Freundes Mactator des Schlächters, bis die Senatoren genug hatten und den praetor peregrinus Lucius Licinus Lucullus beauftragten, eine Armee zusammenzustellen und den Sklavenaufstand niederzuwerfen. Na, Du weißt ja, was für ein kolossaler Aristokrat Lucius Licinus Lucullus ist! Er war natürlich wenig erbaut darüber, von einer Küchenschabe wie Fimbria in die Campania geschickt zuwerden, um dort aufzuräumen.
Und jetzt ein kleiner Exkurs. Ich nehme an, Du weißt, daß Lucullus mit der Schwester von Metellus Schweinebacke verheiratet ist, mit Metella Calva. Die beiden haben zwei Söhne, vierzehn und zwölf Jahre alt, die gemeinhin als äußerst vielversprechend gelten. Da Schweinebackes Sohn Metellus das Ferkel keine zwei Worte am Stück herausbringt, ruhen alle Hoffnungen der Familie auf dem jungen Lucius und seinem Bruder Marcus Lucullus. Nein, Gaius Marius! Ich höre Dich bis hierher nach Rom schimpfen, aber so etwas ist wichtig, wenn Du es nur einmal einsehen würdest! Wie willst du Dich ungeschoren durch das Labyrinth des öffentlichen Lebens in Rom bewegen, wenn Du die Beziehungen der Familien zueinander und den Klatsch nicht kennst? Lucullus’ Frau also, Schweinebackes Schwester, ist für ihren unsittlichen Lebenswandel bekannt. Erstens wickelt sie ihre Affären in aller Öffentlichkeit ab; dazu gehören hysterische Szenen vor Juweliergeschäften und gelegentliche Selbstmordversuche, bei denen sie sich die Kleider vom Leib reißt und versucht, über die Mauer in den Tiber zu springen. Zweitens - und das ist es, was unseren großen Schweinebacke wirklich kränkt, vom stolzen Lucullus ganz zu schweigen - beglückt die arme Metella Calva nicht etwa Männer ihres Standes mit ihrer Gunst. Nein, Metella Calva mag schöne Sklaven und kräftige Arbeiter, die sie in den Werften am Hafen von Rom aufliest. Sie ist deshalb für Schweinebacke und Lucullus eine fürchterliche Last, obwohl sie ihren zwei Jungen eine ausgezeichnete Mutter ist, wie ich glaube.
Ende des Exkurses. Ich erwähne das, um der ganzen Affäre die so bitter nötige Würze zu geben. Und um Dir klarzumachen, warum Lucullus beim Abmarsch in die Campania so erbost war: Er mußte sich von einem Mann herumkommandieren lassen, der sehr wahrscheinlich zu den Günstlingen von Metella Calva gehören würde,
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