MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Wenn er nach Süden weiterziehen will, muß er den Fluß hier bei Tridentum überqueren. Also müssen wir ihn hier aufhalten.«
Catulus Caesar erhob sich. »Dann wollen wir diese Posse hinter uns bringen.« Er öffnete die Tür, gelassen und vollkommen beherrscht trat er vor seine Offiziere. Offenbar hatte er bereits mit der Reparatur seiner dignitas und auctoritas begonnen. »Wir können unsere Stellung hier nicht halten«, sagte er knapp und deutlich. »Deshalb ordne ich den vollständigen Rückzug an. Ich habe Lucius Cornelius alle notwendigen Anweisungen gegeben, ihr werdet von ihm eure Befehle erhalten. Es muß aber klar sein, daß das Wort ›Meuterei‹ nie gefallen ist. Haben wir uns verstanden?«
Die Offiziere murmelten zustimmend, erleichtert über die Entwicklung der Dinge.
Catulus Caesar drehte sich wieder zu dem Haus um. »Ihr könnt jetzt gehen«, sagte er über die Schulter.
Als die Gruppe sich zerstreute, ging Gnaeus Petreius mit Sulla auf die Brücke zu. »Das ist ja noch einmal glimpflich verlaufen, schätze ich. Er hat sich besser aus der Affäre gezogen, als ich gedacht hätte, Lucius Cornelius. Besser als andere seiner Art, das schwöre ich.«
»Nun ja, hinter all seiner Überheblichkeit versteckt sich doch noch ein Verstand«, sagte Sulla leichthin. »Aber er hat recht: Das Wort ›Meuterei‹ sollten wir nicht mehr erwähnen.«
»Von mir wirst du es nicht hören!« sagte Petreius aus tiefster Überzeugung.
Inzwischen war es Nacht geworden, aber die Brücke wurde durch Fackeln erleuchtet, so daß Sulla und Petreius ohne Schwierigkeiten über die Bohlen schreiten konnten. Am anderen Ufer rannte Sulla voraus und rief den Zenturionen und Tribunen, die hinter ihm herkamen, seine Anweisungen zu: »Alle Legionen müssen beim ersten Tageslicht abmarschbereit sein! Die Ingenieure und alle Zenturionen treffen sich hier mit mir eine Stunde vor Tagesanbruch. Die Militärtribunen kommen jetzt sofort zu mir.«
»Bin ich froh, daß wir ihn haben!« sagte Gnaeus Petreius zum zweiten Zenturio seiner Legion.
»Ich auch. Aber über den da bin ich gar nicht froh!« antwortete der zweite Zenturio und wies auf den jungen Marcus Aemilius Scaurus, der hinter Sulla und den anderen Militärtribunen hereilte.
Petreius brummte. »Du hast recht, aber ich werde morgen gut auf ihn aufpassen. ›Meuterei‹ dürfen wir zwar nicht mehr sagen, aber das heißt nicht, daß irgendein römischer Idiot unsere Samniten ins Verderben führen darf, und wenn sein Vater noch so bedeutend ist.«
In der Morgendämmerung trat das Heer den Rückzug an. Wie bei allen Manövern der gut ausgebildeten römischen Truppen herrschte auch jetzt Ruhe und Ordnung. Die Legion, die am weitesten von der Brücke entfernt gelagert hatte, überquerte den Fluß als erste, dann die nächste Legion, und so fort, so daß sich das Heer gewissermaßen wie ein Teppich aufrollte. Glücklicherweise waren die Gepäckwagen und Tragtiere mit Ausnahme einiger Pferde, die die ranghöchsten Offiziere geritten hatten, südlich des Dorfes und der Brücke verblieben. Dieser Abteilung befahl Sulla, ebenfalls bei Tagesanbruch abzumarschieren. Die erste Hälfte der Legionen sollte den Gepäckzug überholen, die andere Hälfte sollte bis hinunter nach Verona hinter ihm bleiben, denn Sulla wußte, daß die Kimbern nicht schnell genug sein würden, um auch nur die Staubwolke der Römer zu sehen, sobald diese Tridentum hinter sich gelassen haben würden.
Die Kimbern waren mit der Erkundung der Terrassenwege an den Berghängen vollauf beschäftigt und bemerkten erst eine volle Stunde nach Sonnenaufgang, daß das römische Heer den Rückzug angetreten hatte. Sie waren verwirrt, und ihre Verwirrung hielt an, bis Boiorix erschien und einigermaßen Ordnung unter seine Krieger brachte. Die Römer hatten inzwischen keine Zeit verloren und waren zügig marschiert. Als sich die Kimbern endlich zu einem Angriff formierten, überquerte die erste Legion bereits im Eilmarsch die Brücke.
Die Ingenieure hatten lange vor der Dämmerung fieberhaft an den Pfeilern und Balken unter der Brücke zu arbeiten begonnen.
Sulla inspizierte ihre Arbeit. »Immer das gleiche«, beschwerte sich der Führer des Pioniertrupps bei ihm. »Wenn ich mir mal eine Brücke wünsche, die bei der leisesten Berührung zusammenbricht, muß ich mich mit einer soliden römischen Brücke abkämpfen.«
»Wirst du es schaffen?« fragte Sulla.
»Ich hoffe es, legatus ! Das Ding hat keine einfachen Verbindungen
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