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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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ihr in die Arme zu werfen. Aber Marcia fuhr zurück.
    »Du hast dich abscheulich benommen!« sagte sie kalt. »Und all das wegen eines Mannes, der nicht einmal gut genug ist, den Boden zu lecken, auf dem Caesar schreitet!«
    »Ach, Mama!«
    »Nichts ›Ach, Mama‹! Du wolltest erwachsen sein, Julilla, du wolltest Frau genug sein, um zu heiraten. Jetzt sei erwachsen.«
    Nach diesen Worten verließ auch Marcia das Zimmer.
    Einige Tage später schrieb Gaius Julius Caesar an seinen Schwiegersohn Gaius Marius:
    Die unglückselige Geschichte geht endlich ihrem Ende zu. Ich wollte, ich könnte sagen, daß Julilla eine Lehre daraus gezogen hat, aber ich bezweifle es sehr. In späteren Jahren wirst auch Du, Gaius Marius, die Qualen und Anfechtungen der Elternschaft kennenlernen, und ich wollte, ich könnte Dir zum Trost sagen, daß Du aus meinen Fehlern lernen wirst. Aber das wirst Du nicht. Denn so wie jedes Kind sich von anderen Kindern unterscheidet und unterschiedlich behandelt werden muß, so sind auch alle Eltern verschieden. Was haben wir falsch gemacht bei Julilla? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, ob wir überhaupt etwas falsch gemacht haben. Vielleicht ist der Fehler angeboren, liegt er in ihrem Wesen begründet. Ich bin zutiefst verletzt und die arme Marcia auch. Auch Julilla leidet schrecklich, aber ich mußte mich fragen, ob wir nicht verpflichtet sind, vorerst Abstand von ihr zu wahren, und ich bin zu dem Schluß gekommen, daß wir das müssen. Liebe haben wir ihr immer gegeben, nicht aber Gelegenheit, Selbstdisziplin zu lernen. Sie wird nur begreifen, wenn sie leidet.
    Um der Gerechtigkeit willen habe ich unseren Nachbarn Lucius Cornelius Sulla aufgesucht und eine Entschuldigung in unser aller Namen ausgesprochen. Das muß genügen, bis Julilla wieder besser aussieht und sich selbst bei ihm entschuldigen kann. Er wollte mir Julillas Briefe nicht aushändigen, aber ich bestand darauf. Ich befahl Julilla, die Briefe zu verbrennen, aber zuerst mußte sie jede einzelne der törichten Episteln mir und ihrer Mutter vorlesen. Wie schrecklich, wenn man seinem eigenen Fleisch und Blut gegenüber so hart sein muß! Aber ich fürchte sehr, daß nur die allerbitterste Lektion auf Julillas selbstsüchtiges Herz Eindruck macht.
    So. Genug von Julilla und ihren Ränken. Es gehen viel wichtigere Dinge vor, und vielleicht bin ich sogar der erste, der diese Nachrichten in die Provinz Africa schickt. Marcus Junius Silanus ist von den Germanen vernichtend geschlagen worden. Über 30 000 Mann sind gefallen, der Rest ist in alle Winde zerstreut. Silanus scheint darüber nicht betroffen, oder vielleicht sollte ich besser sagen, daß ihm sein eigenes Überleben wichtiger ist als das seiner Soldaten. Er hat die Nachricht selbst nach Rom gebracht, aber in einer stark verharmlosenden Version. Bis nach und nach die ganze Wahrheit herausgekommen ist, war die Schockwirkung der Katastrophe schon weitgehend verpufft. Natürlich will er sich der Anklage wegen Hochverrat entziehen, und ich schätze, daß ihm das auch gelingt.
    Und was, so höre ich Dich fragen, ist mit den Germanen? Strömen sie jetzt nach Süden? Packen die Einwohner von Massilia in Panik ihre Sachen? Nein. Ob Du es glaubst oder nicht: Nachdem sie Silanus’ Heer vernichtet hatten, machten sie prompt kehrt und zogen nach Norden ab. Was soll man von einem so rätselhaften Feind halten? Uns allen läuft es kalt den Rücken hinunter, wenn wir an die Germanen denken. Denn sie werden kommen. Früher oder später werden sie kommen, dem jetzigen Eindruck nach eher später, und wir haben ihnen keinen besseren Feldherrn entgegenzustellen als einen Marcus Junius Silanus.
    Zum Schluß noch etwas Angenehmeres. Wir fechten zur Zeit einen höchst amüsanten Kampf mit unserem geschätzten Zensor Marcus Aemilius Scaurus. Der andere Zensor, Marcus Livius Drusus, ist vor drei Wochen überraschend gestorben, so daß die Amtszeit der Zensoren abrupt endete, und jetzt will Scaurus nicht zurücktreten! Gleich nach der Bestattung von Drusus trat der Senat zusammen und befahl Scaurus, sein Zensorenamt niederzulegen, damit das lustrum offiziell mit der üblichen Zeremonie abgeschlossen werden kann. Scaurus weigerte sich.
    »Ich bin zum Zensor gewählt worden«, sagte er, »und stecke mitten in der Aufgabe, Verträge für meine Bauvorhaben zu vergeben. Ich kann meine Arbeit unmöglich abbrechen.«
    »Marcus Aemilius Scaurus, das steht nicht bei dir«, sagte Metellus Delmaticus, der Pontifex

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