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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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ablehnt, bin in der pater familias auch für dich. Mein Wort ist für dich Gesetz, denn so will es das Gesetz. Alle, die in meinem Haus wohnen, werden meine Anordnungen dich betreffend befolgen. Ist das klar?«
    Das Mädchen zeigte keinerlei Anzeichen von Scham oder Angst. Ihre dunklen Augen funkelten gefährlich, und sie blieb unbeugsam stehen. »Ich bin eine Patrizierin aus dem Hause Servilius«, wiederholte sie. »Ganz gleich, was du mir antust, ich bin besser als ihr alle zusammen. Was bei geringeren Frauen als mir falsch sein mag, ist für mich eine Pflicht. Ich habe ein Komplott gegen Rom aufgedeckt und meinem Vater das gesagt. Das war meine Pflicht. Du kannst mich bestrafen, wie du willst, Marcus Livius. Es ist mir gleich, ob du mich für immer in einem Zimmer einsperrst, ob du mich schlägst oder tötest. Ich weiß, daß ich nur meine Pflicht getan habe.«
    »Schafft sie weg«, rief Drusus. »Ich kann sie nicht mehr sehen!«
    »Soll ich sie schlagen lassen?« Livia Drusa war genauso wütend wie Drusus.
    Er schrak zusammen. »Nein! In meinem Haus wird nicht mehr geschlagen, Livia Drusa. Tu, was ich angeordnet habe. Sie darf das Kinderzimmer und den Unterrichtsraum nur in Begleitung verlassen. Ich werde ihr nicht erlauben, in einer eigenen Schlafkammer zu schlafen, obwohl Sie mittlerweile alt genug wäre. Sie wird im großen Kinderzimmer bleiben. Da sie die Privatsphäre anderer nicht respektiert, braucht sie selbst auch keine. Das wird in den nächsten Jahren noch genug Strafe für sie sein. Sie wird mindestens noch zehn Jahre in meinem Haus wohnen müssen, bevor sie daran denken kann, auszuziehen. Wenn ihr Vater sich die Mühe machen sollte, einen Mann für sie zu suchen. Wenn nicht, dann werde ich es tun. Aber ich werde keinen Patrizier auswählen, sondern einen Bauerntölpel.«
    Cato Salonianus lachte. »Nein, keinen Bauerntölpel, Marcus Livius. Einen wahrhaft edlen freigelassenen Sklaven, einen wirklichen Ehrenmann, der jedoch nicht die geringsten Chancen hat, gesellschaftlich anerkannt zu werden. Dann wird sie vielleicht einsehen, daß Sklaven und ehemalige Sklaven besser sein können als Patrizier.«
    »Ich hasse euch«, schrie Servilia, als ihre Mutter sie wegführte. »Ich hasse euch alle! Und ich verfluche euch, ja, ich verfluche euch! Mögt ihr alle tot sein, wenn ich ins heiratsfähige Alter komme.«
    Im nächsten Augenblick dachte schon niemand mehr an das Kind, denn Servilia Caepionis war vom Stuhl gesunken. Drusus erschrak, hob sie auf und trug sie in ihr Schlafzimmer, wo man ihr brennende Federn unter die Nase hielt, die sie bald wieder ins Bewußtsein zurückholten. Sie weinte hemmungslos.
    »Marcus Livius, die Verbindung mit meiner Familie hat dir bisher wenig Glück gebracht«, sagte sie schluchzend. Drusus saß an ihrem Bett, hielt sie in den Armen und betete zu den Göttern, daß das ungeborene Kind diese Aufregungen überstehen möge.
    »Ich habe doch dich«, sagte er. Er küßte ihre Augenbrauen und wischte ihr sanft die Tränen ab. »Du darfst nicht krank werden, mea vita, das ist dieses ungezogene Kind nicht wert. Verschaffe ihr nicht auch noch diese Genugtuung.«
    »Ich liebe dich, Marcus Livius. Ich habe dich immer geliebt und werde dich immer lieben.«
    »Gut! Ich liebe dich auch, Servilia Caepionis. Jeden Tag ein bißchen mehr. Nun beruhige dich, denke an unser Kind. Es gedeiht prächtig.« Er strich vorsichtig über ihren gewölbten Bauch.

    Servilia Caepionis starb im Kindbett, einen Tag bevor Lucius Licinius Crassus Orator und Quintus Mucius Scaevola im Senat ein Gesetz zu den italischen Bundesgenossen vorstellten. Marcus Livius Drusus schleppte sich zwar am nächsten Tag in den Senat, konnte sich aber nicht so auf die Beratungen konzentrieren, wie es die Natur der Sache erfordert hätte.
    Im Haus des Drusus hatte niemand mit etwas so Schrecklichem gerechnet. Servilia Caepionis hatte sich wohl gefühlt, und die Schwangerschaft war bisher völlig problemlos verlaufen. Die Wehen setzten so plötzlich ein, daß sie selbst für sie völlig unvorbereitet kamen. Innerhalb von zwei Stunden war sie verblutet, denn weder Binden noch Hochlagern hatten die Blutung zu stillen vermocht. Drusus war nicht zu Hause, als die Wehen einsetzten. Er wurde gerufen und blieb, ihre Hand haltend, bis zum Schluß an ihrem Bett sitzen. Seine Frau kam nicht mehr richtig zu Bewußtsein. Auf die Schmerzen folgte übergangslos ein euphorischer Zustand, und dann starb sie, ohne zu merken, daß Drusus bei ihr

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