MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Servilius von jemandem Informationen bekommen hat?« fragte Livia Drusa.
»Weil er mich beschuldigt hat, die neuen Bürgerlisten gefälscht zu haben und mit Quintus Poppaedius zusammenzuarbeiten.«
»Er könnte den Vorwurf auch aus der Luft gegriffen haben.«
»Das wäre möglich, wenn er da nicht noch einen dritten Namen genannt hätte, und zwar den von Gaius Papius Mutilus, den Anführer der Samniten. Woher hatte er diesen Namen? Ich selbst kenne den Namen nur, weil Quintus Poppaedius mit Papius Mutilus befreundet isf. Ich bin mir ziemlich sicher, daß Quintus Poppaedius und Papius Mutilus die Bürgerlisten manipuliert haben — aber woher wußte Caepio davon?«
Livia Drusa erhob sich. »Ich kann dir nichts versprechen, Marcus Livius, aber vielleicht weiß ich eine Antwort. Entschuldigt mich bitte für einen Moment.«
Drusus, Cato Salonianus und Servilia Caepionis warteten ohne große Hoffnung. Welche Antwort sollte Livia Drusa auch auf diese rätselhafte Frage haben, wenn Caepio höchstwahrscheinlich einfach geraten hatte.
Livia Drusa kehrte zurück. Sie schob ihre Tochter Servilia vor sich her, eine Hand schwer auf der Schulter des Kindes.
»Bleib hier stehen, Servilia«, sagte sie streng. »Ich muß dich etwas fragen: Besuchst du deinen Vater?«
Das Gesicht des Kindes war so ruhig und ausdruckslos, daß die Anwesenden den Eindruck hatten, das Mädchen wolle etwas verbergen.
»Ich erwarte eine ehrliche Antwort von dir, Servilia«, erklärte Livia Drusa. »Besuchst du deinen Vater? Und bevor du etwas sagst, überlege es dir gut. Wenn du mit nein antwortest, erkundige ich mich bei Stratonice und den anderen Kindermädchen.«
»Ja, ich besuche ihn«, sagte Servilia.
Drusus richtete sich in seinem Stuhl auf, ebenso Cato. Servilia Caepionis dagegen versank noch mehr in ihrem und hielt sich die Hand vor das Gesicht.
»Was hast du deinem Vater über Onkel Marcus und seinen Freund Quintus Poppaedius erzählt?«
»Die Wahrheit«, entgegnete das Kind immer noch völlig ausdruckslos.
»Welche Wahrheit?«
»Daß sie sich verschworen haben, Italiker auf die römischen Bürgerlisten zu setzen.«
»Wie konntest du das tun? Du weißt genau, daß das nicht stimmt!« Drusus konnte seine aufkommende Wut kaum noch unterdrücken.
»Es ist doch die Wahrheit!« schrie das Kind mit schriller Stimme. »Ich habe erst vor kurzem die Briefe im Zimmer des Marsers gesehen.«
»Soll das heißen, daß du das Zimmer eines Gastes ohne dessen Wissen betreten hast?« fragte Cato Salonianus ungläubig. »Das ist abscheulich, Kind!«
»Für wen hältst du dich eigentlich, daß du über mich urteilen könntest?« Servilia sah ihn abschätzig an. »Der Abkömmling einer Sklavin und eines Bauern!«
Cato preßte die Lippen zusammen und schluckte seine Wut hinunter. »Auch wenn das stimmt, Servilia: Selbst Sklaven haben soviel Anstand, als daß sie nicht das heilige Gastrecht verletzen und in das Zimmer eines Gastes eindringen würden.«
»Ich bin eine Patrizierin aus dem Geschlecht der Servilier«, sagte das Kind hartnäckig, »während dieser Mann bloß ein Italiker ist. Er hat sich gegen Rom verschworen — und Onkel Marcus mit ihm!«
»Was für Briefe hast du gesehen?« fragte Drusus.
»Briefe von einem Samniten namens Gaius Papius Mutilus.«
»Aber keine Briefe von Marcus Livius Drusus.«
»Das brauchte ich nicht. Du bist doch so eng mit den Italikern befreundet, daß jeder weiß, du würdest alles tun, was sie von dir verlangen. Also hast du dich mit ihnen verschworen.«
»Wie gut für Rom, daß du eine Frau bist, Servilia.« Drusus zwang sich zu lächeln. »Wenn du vor Gericht nicht mehr vorlegen könntest, würdest du dich zum Gespött der Leute machen.« Er stand von der Liege auf und baute sich vor ihr auf. »Du bist dumm und undankbar, mein Kind. Falsch und abscheulich, wie dein Stiefvater gesagt hat. Wenn du älter wärst, würde ich dich aus meinem Hause verbannen. So aber werde ich das Gegenteil tun. Du wirst das Haus nicht mehr verlassen. Innerhalb des Hauses kannst du dich in Begleitung eines Sklaven frei bewegen. Aber du wirst das Haus unter keinen Umständen verlassen. Du wirst weder deinen Vater noch sonst jemanden besuchen. Du wirst ihm auch nicht schreiben. Wenn er nach dir schickt und dich bittet, bei ihm zu wohnen, lasse ich dich nur zu gern gehen. Sollte das geschehen, wirst du dieses Haus nie wieder betreten, auch nicht, um deine Mutter zu besuchen. Solange jedoch dein Vater die Verantwortung für dich
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