MoR 02 - Eine Krone aus Gras
lassen. Zwei Namen sind hierbei genannt worden: Quintus Poppaedius Silo, der Anführer der Marser, und Gaius Papius Mutilus, der Führer der Samniten.«
Jemand klatschte laut in die Hände. Der Konsul hielt inne, verbeugte sich in Richtung der ersten Reihe zu seiner Rechten und sagte: »Gaius Marius, ich freue mich, dich wieder in diesem hohen Hause willkommen heißen zu dürfen. Du hast eine Frage?«
»Das habe ich, Lucius Licinius.« Marius erbob sich. Er war braungebrannt und sah gesund aus. »Diese beiden Männer, Silo und Mutilus, stehen sie auch auf den Listen?«
»Nein, Marius.«
»Dann möchte ich wissen, welche Beweise dir außer den Zeugenaussagen vorliegen.«
»Keine«, entgegnete Crassus Orator unbewegt. »Ihre Namen sind mir lediglich von einem Zeugen genannt worden, der beschwört, die beiden hätten ihre Stammesangehörigen dazu aufgerufen, sich massenhaft in die römischen Bürgerlisten eintragen zu lassen.«
»Aber ohne Beweise ist der Wert der Aussage, auf die du dich hier berufst, doch eher fraglich, nicht wahr, Lucius Lucinius?«
»Möglicherweise«, entgegnete Crassus Orator, ohne mit der Wimper zu zucken. Er verbeugte sich erneut förmlich. »Wenn du mir gestattest, Gaius Marius, mit meinem Vortrag fortzufahren, dann wird sich, glaube ich, alles klären.«
Marius lächelte, verbeugte sich ebenfalls und setzte sich wieder.
»Ich fahre also fort, eingeschriebene Väter! Wie Gaius Marius schon richtig zu bedenken gab, sind Zeugenaussagen ohne konkrete Beweise äußerst fraglich. Wir Konsuln und Zensoren wollen dies gar nicht leugnen. Ich muß jedoch zu bedenken geben, daß es sich bei dem Zeugen um einen sehr angesehenen Bürger handelt, dessen Aussage unsere eigenen Beobachtungen bestärkt.«
»Wer ist diese angesehene Persönlichkeit?« fragte Publius Rutilius Rufus, ohne sich von seinem Stuhl zu erheben.
»Er möchte aus einer gewissen berechtigten Angst heraus seinen Namen nicht preisgeben«, sagte Crassus Orator.
»Ich kann dir sagen, um wen es geht, Onkel!« rief Drusus laut. »Er heißt Quintus Servilius Caepio, der Frauenschänder! Er hat auch mich schon beschuldigt.«
»Marcus Livius, ich muß dich zur Ordnung rufen!« sagte der Konsul.
»Er hat recht«, schrie Caepio aus der hinteren Reihe. »Ich habe ihn beschuldigt. Er ist genauso schuld wie Silo und Mutilus!«
»Quintus Servilius, ich rufe dich zur Ordnung. Setz dich!«
»Nicht bevor du den Namen Marcus Livius Drusus auf die Liste der von mir Beschuldigten setzt«, schrie Caepio noch lauter als zuvor.
»Die Konsuln und die Zensoren haben sich davon überzeugt, daß Marcus Livius Drusus mit dieser Sache nichts zu tun hat.« Crassus Orators Augen funkelten wütend. »Es stünde dir wie allen pedarii gut an, dich daran zu erinnern, daß du in diesem Haus bislang kein Rederecht hast. Setze dich also und halte den Mund, wie es sich gehört. Die Versammelten werden Männern, die einen persönlichen Rachefeldzug führen, kein Gehör schenken, und dieses Haus wird statt dessen mich anhören.«
Daraufhin kehrte Ruhe ein. Crassus Orator wartete noch eine Weile, räusperte sich und setzte von neuem an.
»Warum auch immer — und durch wen auch immer angestiftet — wir haben plötzlich zu viele Namen auf unseren Bürgerlisten. Es liegt nahe anzunehmen, daß viele Männer sich unrechtmäßig das Bürgerrecht erschlichen haben. Die Konsuln wollen diesem Zustand abhelfen, ohne falschen Spuren nachzugehen oder jemanden grundlos zu beschuldigen. Uns interessiert nur eins: Wenn wir jetzt nichts tun, haben wir in Zukunft zu viele falsche Bürger, die vorgeben, einem der einunddreißig ländlichen Tribus anzugehören. Wenn wir nichts tun, haben sie innerhalb einer Generation bei den Tribuswahlen mehr Stimmen als wir rechtmäßigen römischen Bürger, und sie werden möglicherweise auch die Wahlen in den Zenturien beeinflußen.«
»Dann hoffe ich in der Tat, daß wir etwas unternehmen, Lucius Licinius«, sagte Scaurus, der Senatsvorsitzende, der in der Mitte der ersten Reihe rechts neben Gaius Marius saß.
»Quintus Mucius und ich haben ein neues Gesetz ausgearbeitet«, fuhr Crassus Orator fort, ohne Scaurus zu beachten. »Ziel des Gesetzes ist, alle zu Unrecht in die römischen Bürgerlisten Eingetragenen wieder daraus zu entfernen. Allein darum geht es in dieser Vorlage. Niemand wird vertrieben, es geht nicht um einen Massenexodus von Nichtbürgern aus der Stadt Rom oder aus irgendeiner anderen römischen oder latinischen Stadt in
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