MoR 02 - Eine Krone aus Gras
gesagt werden, was ich sagen werde, und die Zukunft wird die Richtigkeit und Klugheit meiner Worte erweisen, daß garantiere ich euch.«
Er räusperte sich und rief dann: »Gaius Marius hat recht! Wir dürfen die Falschbürger nur aus den Bürgerlisten und aus unseren Tribus streichen, wir dürfen sie nicht bestrafen. Obwohl ich mir darüber im klaren bin, daß die Mehrheit von euch — mich eingeschlossen! — die italischen Bundesgenossen als den echten Römern unterlegen betrachtet, hoffe ich dennoch, daß unser aller Urteilsvermögen nicht soweit getrübt ist, daß wir sie als Barbaren betrachten. Sie sind zivilisiert, ihre Anführer sind sehr gebildet, sie leben im großen und ganzen genauso wie wir Römer auch. Deshalb dürfen wir sie nicht wie Barbaren behandeln. Wir sind ihnen seit Jahrhunderten durch Verträge verbunden und arbeiten seit Jahrhunderten mit ihnen zusammen. Sie sind enge Blutsverwandte von uns, wie Gaius Marius richtig gesagt hat.«
»Die von Gaius Marius vielleicht«, warf Lucius Marcius Philippus verächtlich ein.
Rutilius Rufus wandte sich dem ehemaligen Prätor zu und starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Eine wahrhaft scharfsinnige Unterscheidung, die Unterscheidung zwischen Blutsverwandtschaft und der durch Geld geknüpften Beziehung!« sagte er freundlich. »Ohne diese Unterscheidung wärst du Gaius Marius nämlich so eng verbunden wie ein Blutegel. Denn was Geld anbelangt, steht dir Gaius Marius näher als dein eigener Vater. Bei meiner Ehre, du hast von Gaius Marius einst mehr Geld erbettelt, als dein eigener Vater dir geben konnte. Wenn Geld Blut wäre, dann würde man dir jetzt sicher deine italische Herkunft vorwerfen.«
Die Senatoren brüllten vor Lachen und johlten und pfiffen, während Philippus tiefrot anlief und am liebsten im Boden versunken wäre.
Rutilius Rufus kam zu seinem eigentlichen Thema zurück: »Sehen wir uns die Strafen, die in der lex Licinia Mucia für Falschbürger vorgesehen sind, etwas genauer an. Können wir uns wirklich leisten, Menschen mit der Prügelstrafe zu bedrohen, mit denen wir zusammenleben und die uns mit Soldaten und Geld versorgen? Wenn schon einige Mitglieder dieses Hauses sich erdreisten, andere wegen ihrer Herkunft zu verunglimpfen, dann frage ich mich, wie wir uns von den Italikern unterscheiden. Darauf will ich hinaus, und das solltet ihr bedenken. Nur ein schlechter Vater erzieht seinen Sohn ausschließlich mit Prügeln, denn wenn der Sohn erwachsen ist, haßt er seinen Vater, anstatt ihn zu lieben und zu bewundern. Wenn wir unsere italischen Verwandten auf der Halbinsel prügeln, werden wir mit Menschen zusammenleben müssen, die uns wegen unserer Grausamkeit hassen. Wenn wir ihnen das Bürgerrecht verwehren, müssen wir fortan mit Menschen zusammenleben, die uns wegen unseres Hochmuts hassen. Wenn wir ihnen hohe Strafen auferlegen und sie dadurch arm machen, werden sie uns für unsere Habgier hassen. Wenn wir sie aus ihren Häusern vertreiben, werden sie uns wegen unserer Gefühllosigkeit hassen. Wieviel Haß kommt dabei zusammen? Viel zuviel, eingeschriebene Väter und Bürger, als wir uns bei Menschen leisten können, mit denen wir auf engstem Raum zusammenleben.«
»Dann müssen wir sie eben noch mehr unterdrücken«, sagte Catulus Caesar überdrüssig. »Wir müssen sie so niederhalten, daß sie zu keinerlei Gefühlen mehr in der Lage sind. Das haben sie verdient als Strafe dafür, daß sie das wertvollste Geschenk, das Rom zu vergeben hat, gestohlen haben.«
»Quintus Lutatius, versuche doch wenigstens zu verstehen!« bat Rutilius Rufus. »Sie haben es gestohlen, weil wir es ihnen nicht freiwillig gegeben haben. Wennn jemand etwas stiehlt, auf das er von Rechts wegen einen Anspruch zu haben meint, dann ist das für ihn kein Diebstahl. Dann ist das für ihn die Aneignung eines rechtmäßigen Besitzes.«
»Wie kann man etwas in Besitz nehmen, das einem gar nicht gehört?«
Rutilius Rufus gab auf. »Also gut, ich habe wenigstens versucht, euch klarzumachen, wie dumm es ist, Menschen mit schweren Strafen zu belegen, mit denen wir zusammenleben, Menschen, die an den Straßen wohnen, die wir gebaut haben, dort, wo auch unsere Villen und Landgüter stehen, und die oft unsere Felder bestellen, wenn wir nicht so modern sind, daß wir Sklaven dafür einsetzen. Ich werde also nicht weiter davon sprechen, mit welchen Konsequenzen wir zu rechnen haben, wenn wir die Italiker bestrafen.«
»Den Göttern sei Dank!« seufzte
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