MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Scipio Nasica.
»Ich komme nun auf die Zusatzanträge unseres Senatsvorsitzenden zu sprechen — die wohlgemerkt Gaius Marius eingebracht hat!« fuhr Rutilius Rufus fort, ohne den Einwurf Nasicas zu beachten. »Und ich darf wohl bemerken, verehrter Senatsvorsitzender, daß es ein Zeichen schlechter Rhetorik ist, wenn man ironische Bemerkungen eines anderen Redners wörtlich nimmt und in ernstgemeinte Forderungen ummünzt. Wenn du nicht besser zuhörst, wird man dir vorwerfen, deine besten Zeiten seien vorbei. Ich verstehe jedoch andererseits, daß es dir schwerfällt, bewegende und kraftvolle Worte für eine Sache zu finden, an der dein Herz nicht hängt. So ist es doch, Marcus Aemilius?«
Scaurus antwortete nicht, aber sein Gesicht hatte sich gerötet.
»Es ist nicht die Art Roms, auf bezahlte Spitzel zurückzugreifen oder Leibwächter anzustellen«, sagte Rutilius Rufus. »Wenn wir das bei der Durchführung der lex Licinia Mucia nötig haben, dann zeigen wir damit unseren italischen Nachbarn, daß wir sie fürchten. Sie werden merken, daß wir mit der lex Licinia Mucia nicht Übeltäter bestrafen, sondern eine potentielle Bedrohung Roms ausmerzen wollen. Ohne daß wir das beabsichtigen, werden sie den Eindruck haben, wir fürchteten sie viel mehr als sie uns. Harte Maßnahmen und unrömische Mittel wie bezahlte Spitzel und Leibwachen zeugen von enormer Angst und Furcht. Wir demonstrieren damit Schwäche, eingeschriebene Väter und ihr Bürger, nicht Stärke! Ein Mann, der nichts zu fürchten hat, läßt sich nicht von ehemaligen Gladiatoren bewachen, noch schaut er bei jeder Gelegenheit ängstlich über die Schulter. Ein Mann, der nichts zu fürchten hat, bietet auch keine Belohnung für Informationen über seine Feinde an.«
»Unsinn!« sagte der Senatsvorsitzende Scaurus wütend. »Bezahlte Spitzel sind gut, das sagt einem der gesunde Menschenverstand. Sie werden den Sondergerichten die gewaltige Aufgabe erleichtern, Zehntausende von Straftätern ausfindig zu machen. Jedes Mittel, mit dem diese Aufgabe verkürzt und erleichtert werden kann, ist recht. Und was die bewaffneten Eskorten anlangt, sind auch sie völlig vernünftig. Sie werden verhindern, daß die Menschen protestieren und Unruhen ausbrechen.«
»Hört, hört!«, ertönten von überall Rufe, und Beifall kam auf.
Rutilius Rufus hob resigniert die Schultern. »Ich sehe, ich stoße nur auf taube Ohren! Schade, daß nur so wenige von euch von den Lippen lesen können. Mir bleibt nur eins zu sagen: Wenn wir uns bezahlter Spitzel bedienen, dann setzen wir damit eine Krankheit in unserer geliebten Heimat frei, die wir auf Jahrzehnte nicht wieder losbekommen: die Krankheit der Spione und miesen Erpresser. Auch unter Freunden, ja sogar unter Verwandten wird es zu peinigenden Zweifeln kommen — denn in jeder Gemeinschaft gibt es Menschen, die für Geld alles tun, habe ich nicht recht, Lucius Marcius Philippus? Wir werden Elementen Vorschub leisten, die in den Korridoren ausländischer Könige herumlungern, die überall dort auftauchen, wo die Angst ein Volk beherrscht oder ein ungerechtes Gesetz die Menschen unterdrückt. Ich bitte euch, laßt nicht zu, daß diese schäbigen Elemente sich bei uns breitmachen. Laßt uns das sein, was wir immer waren — Römer! Männer, die die Tücken ausländischer Könige nicht zu fürchten brauchen.« Rutilius Rufus setzte sich. »Ich bin fertig, Lucius Licinius.«
Niemand applaudierte, überall wurde nur gemurmelt und geflüstert. Gaius Marius grinste.
Das war es also, dachte Marius Livius Drusus, als die Senatssitzung zu Ende war. Der Senatsvorsitzende Scaurus hatte gewonnen, und Rom hatte verloren. Es war klar, daß die Senatoren mit ihren tauben Ohren Rutilius Rufus kein Gehör schenken würden. Gaius Marius und Rutilius Rufus hatten Argumente vorgebracht, die eigentlich jeden hätten überzeugen müssen. Wie hatte Gaius Marius sich ausgedrückt? Eine Ernte von Tod und Blut, wie sie bisher noch nicht dagewesen war. Das Problem war, daß die meisten Senatoren lediglich geschäftlich oder bei unangenehmen Grenzstreitigkeiten mit Italikern zu tun hatten. Sie ahnten nicht einmal, daß in jedem Italiker eine Saat des Hasses schlummerte, die nur darauf wartete, aufzugehen. Auch Drusus selbst hätte die Italiker nicht besser gekannt, wäre er nicht auf dem Schlachtfeld Quintus Poppaedius Silo begegnet.
Ganz in seiner Nähe saß in der letzten Reihe sein Schwager Marcus Porcius Cato Salonianus. Jetzt kam er herunter und
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