MoR 02 - Eine Krone aus Gras
nicht als unangemessen, wenn der Statthalter den anderen Beutel behielt. Nur wenn der Staatsschatz leer ausging, wurde Anklage wegen Erpressung, Verrat oder Bestechung erhoben — oder, wie im Falle von Manius Aquillius’ Vater, wenn der Statthalter etwas verkaufte, das dem Staat gehörte, und den Erlös selbst einstrich. Wie Phrygien.
Nachdem die Frist von acht Tagen verstrichen war, verließen Sullas vier Legionen das befestigte Lager. Es blieb verlassen auf dem Plateau zurück. Vielleicht konnte es eines Tages wieder von Nutzen sein. Sulla bezweifelte, daß Mithridates das Lager schleifen lassen würde, wenn er nach Kappadokien zurückkehrte. Mit Sohn und Heer zog Sulla nach Mazaka, verfolgte im großen Saal des Palastes, wie Ariobarzanes wieder seinen Thron bestieg, während die Königsmutter und der junge Sulla strahlten. Es war offensichtlich, daß die Kappadokier sich freuten. Sie strömten aus ihren Häusern und jubelten ihrem König zu.
»Wenn du klug bist, König, dann stelle sofort ein Heer zusammen und bilde es aus«, sagte Sulla, als er sich verabschiedete. »Rom wird dir vielleicht nicht immer helfen können.«
Der König versprach es eifrig, aber Sulla hatte seine Zweifel. Erstens hatte Kappadokien kein Geld, und zweitens waren die Kappadokier kein kriegerisches Volk. Ein römischer Bauer konnte ein prachtvoller Legionär werden, ein kappadokischer Schäfer nicht. Immerhin war der Rat erteilt und gehört worden. Sulla hatte getan, was er konnte.
Kundschafter berichteten Sulla, daß Mithridates inzwischen den großen roten Halys überschritten habe und bereits im Begriff sei, den ersten der pontischen Pässe auf dem Weg nach Zela zu überwinden. Natürlich wußten die Kundschafter nicht, ob Mithridates eine Nachricht an Tigranes von Armenien geschickt hatte. Aber das spielte auch keine Rolle. Wenn Mithridates Tigranes eine Nachricht zukommen ließ, würde er sich selbst nicht in einem schlechten Licht darstellen. Die Wahrheit würde Tigranes erst herausfinden, wenn er Sulla persönlich begegnete.
Von Mazaka aus führte Sulla seine disziplinierte kleine Armee nach Osten über die kappadokischen Berge. Er wollte den Euphrat bei Melitene überqueren und nach Tomisa ziehen. Inzwischen war es später Frühling geworden. Sulla erfuhr, daß alle Pässe mit Ausnahme derer offen waren, die am Ararat vorbeiführten. Bis er den Ararat erreichte, würden aber auch diese Pässe schneefrei sein, falls er beabsichtigte, dort entlangzuziehen. Sulla nickte, sagte aber nichts, nicht einmal zu seinem Sohn oder zu Morsimos. Er wußte selbst noch nicht genau, was er wollte. Vorerst richtete er seine Aufmerksamkeit darauf, den Euphrat zu erreichen.
Zwischen Mazaka und Dalanda lag das Anti-Taurus-Gebirge, dessen Überquerung weniger schwierig war, als Sulla angenommen hatte. Obwohl die Berge hoch waren, erwies sich der Paß als recht niedrig und war frei von Schnee und Geröllawinen. Danach zogen sie durch eine Reihe von Schluchten mit farbigen Felswänden, durch die reißende Ströme schossen. In den Tälern pflügten die Bauern das fruchtbare Schwemmland für die kurze Wachstumszeit. Die Täler waren seit uralten Zeiten besiedelt, und ihre Bewohner waren im Lauf der Jahrhunderte kaum gestört worden. Die Bauern waren weder zum Militärdienst eingezogen noch jemals aus ihren Gebieten vertrieben worden, sie waren zu unwichtig. Sulla verhielt sich ihnen gegenüber höflich. Er kaufte Nahrungsmittel für sein Heer und bezahlte dafür, und er ermahnte seine Männer, die Äcker nicht zu verwüsten. Das Land war wie geschaffen für einen Überfall aus dem Hinterhalt, aber Sullas Kundschafter waren wachsam. Sulla glaubte nicht, daß Tigranes eine Armee aufgestellt hatte und ihm diesseits des Euphrat auflauerte.
Melitene war eine Gegend, in der es keine größeren Städte gab. Das Land war flach und fruchtbar und ein Teil der Ebene des Euphrat, die sich hier zwischen den Gebirgszügen ausbreitete. Hier lebten mehr Menschen, aber sie waren auch nicht zivilisierter als die Menschen in den Tälern des Anti-Taurus. Sie waren offenbar nicht daran gewohnt, ein Heer durch ihr Land ziehen zu sehen. Selbst Alexander der Große war auf seinen verschlungenen Wanderzügen nicht durch Melitene gekommen, und auch Tigranes hatte das Gebiet auf seinem Marsch nach Kappadokien nicht berührt, wie Sulla erfuhr. Anders als Sulla hatte er die direktere nördliche Route am Oberlauf des Euphrat vorgezogen.
Und dann endlich erreichten sie den
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