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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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absolut überzeugt, daß er recht hatte. »Aber so viele?«
    »Zahlen bedeuten gar nichts, mein Sohn.« Sulla wandte sich zum Gehen. »Ich hätte ihn auf mindestens ein Dutzend verschiedene Arten besiegen können. Er denkt in Zahlen, aber die richtige Lösung hat er noch nicht gefunden: nämlich alles, was einem zur Verfügung steht, zusammen einzusetzen, als Einheit. Wenn er den Kampf gewagt und ich ihm den Gefallen getan hätte, mein Heer vor dem Lager aufzustellen, hätte er einfach einen Massenangriff befohlen. Sein ganzes Heer hätte sich auf uns gestürzt. Mit so einem Angriff wären wir leicht fertig geworden! Und mein Lager zu stürmen — das ist unmöglich! Aber er ist gefährlich. Weißt du, warum ich ihn für gefährlich halte?«
    »Nein«, antwortete sein Sohn mit glänzenden Augen.
    »Weil er sich für den Rückzug entschieden hat. Er wird nach Pontos zurückkehren und nachdenken, bis er endlich zu begreifen beginnt, wie er sich hätte verhalten sollen. Fünf Jahre, mein Junge! Ich gebe ihm noch fünf Jahre. Dann, glaube ich, wird Rom mit diesem Mithridates große Probleme bekommen.«
    Morsimos wartete am Fuß des Wachturms auf Sulla. Wie der junge Sulla schien auch er erfreut und traurig zugleich. »Was machen wir jetzt, Lucius Cornelius?« fragte er.
    »Wir machen genau das, was ich Mithridates angekündigt habe. In acht Tagen marschieren wir nach Mazaka und setzen Ariobarzanes wieder auf den Thron. Er wird vorerst keine Schwierigkeiten bekommen. Ich glaube nicht, daß Mithridates in den nächsten Jahren in Kappadokien einfällt. Ich bin nämlich noch nicht fertig.«
    »Du bist noch nicht fertig?«
    »Ich meine: Ich bin noch nicht fertig mit ihm. Wir kehren noch nicht nach Tarsos zurück.« Auf Sullas Gesicht erschien ein unangenehmes Lächeln.
    Morsimos stockte der Atem. »Du willst doch nicht nach Pontos marschieren?«
    Sulla lachte. »Nein! Ich marschiere gegen Tigranes.«
    »Tigranes? Tigranes von Armenien?«
    »Genau den.«
    »Aber warum, Lucius Cornelius?«
    Zwei Augenpaare waren auf Sulla gerichtet, und zwei Ohrenpaare warteten begierig auf eine Antwort. Weder der Legat noch der Sohn errieten Sullas Motive.
    »Weil ich gerne den Euphrat besichtigen möchte«, erklärte Sulla mit sehnsüchtiger Miene.
    Diese Antwort hatte keiner der beiden Zuhörer erwartet. Der junge Sulla jedoch kannte seinen Vater gut genug und kicherte. Morsimos entfernte sich kopfschüttelnd.

Natürlich hatte Sulla noch andere Gründe. Er war zwar sicher, daß in Kappadokien keine Probleme mehr zu erwarten waren und Mithridates vorerst in Pontos bleiben würde, aber er brauchte dennoch eine zusätzliche Abschreckung. Und was ihn persönlich betraf, so hatte noch keine Schlacht stattgefunden, und infolgedessen hatte sich auch keine Gelegenheit ergeben, zu Gold zu kommen oder einen Staatsschatz zu erobern. Sulla glaubte nicht, daß das Königreich Kappadokien reich genug war, um ihn zu belohnen. Die Reichtümer, die einst in Eusebeia Mazaka vorhanden gewesen sein mochten, befanden sich längst in den Truhen des Mithridates — und Sulla glaubte nicht, daß er mit dieser Vermutung dem König von Pontos Unrecht tat.
    Sullas Auftrag war genau bestimmt worden. Er sollte Mithridates und Tigranes aus Kappadokien vertreiben und Ariobarzanes auf den Thron setzen, im übrigen aber jede weitere Aktivität außerhalb der kilikischen Grenzen unterlassen. Da er nur Prätor war, hatte er keine andere Wahl, als den Anweisungen zu folgen. Daran änderte auch sein prokonsularisches Imperium nichts. Aber dennoch... Von Tigranes hatte er nichts mehr gehört. Er hatte sich dem König von Pontos auf diesem Zug nicht angeschlossen. Das bedeutete, daß er sich immer noch irgendwo im Gebirge in Armenien aufhielt. Tigranes wußte weder, was Rom wollte, noch konnte er Rom die nötige Ehrfurcht entgegenbringen, da er noch nie einen Römer gesehen hatte.
    Niemand konnte sich darauf verlassen, daß Tigranes die Wünsche Roms richtig übermittelt bekam, wenn der Bote Mithridates hieß. Mußte der Statthalter von Kilikien Tigranes also nicht selbst die Anweisungen Roms überbringen? Und wer weiß, vielleicht fiel Sulla auch irgendwo auf dem Weg nach Armenien ein Beutel Gold vor die Füße. Einen Beutel Gold benötigte er dringend. Vorausgesetzt natürlich, dem Beutel Gold, der für den persönlichen Bedarf des Statthalters bestimmt war, würde ein zweiter Beutel Gold für den römischen Staatsschatz hinzugefügt. War diese Bedingung erfüllt, galt es

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