MoR 02 - Eine Krone aus Gras
die Kleinbauern von ihrem Land. Sie hörten auf, viele Söhne zu zeugen, und deshalb hatten wir keinen Nachwuchs für unser Heer. Wenn man heute auf die damaligen Ereignisse zurückblickt, so tat Gaius Marius das einzige, was er tun konnte: Er öffnete das Heer für die Plebejer. Aus den besitzlosen Massen, die nicht genügend Geld für die Ausrüstung als Soldat und keinen Landbesitz, ja nicht einmal zwei Sesterze in der Tasche hatten, machte er Soldaten.«
Drusus sprach mit leiser Stimme, und seine Zuhörer hatten die Köpfe vorgebeugt und lauschten angespannt.
»Der Sold im Heer ist gering. Die Beute, die wir beim Sieg über die Germanen eroberten, war lächerlich. Gaius Marius, seine Nachfolger und ihre Legaten hatten den besitzlosen Bürgern das Kämpfen beigebracht, hatten sie gelehrt, ein Ende des Schwertes vom anderen zu unterscheiden. Sie hatten ihnen das Gefühl gegeben, etwas wert zu sein, eine Würde als römische Männer zu besitzen. Und ich stimme Gaius Marius zu! Wir können diese Männer nicht einfach wieder in die Gosse, in ihre Behausungen auf dem Land zurückjagen. Wir würden damit ein neues Übel erzeugen, eine Masse gut ausgebildeter Männer ohne einen Sesterz, aber mit viel Zeit und dem immer stärkeren Gefühl, von den Männern unserer Klasse ungerecht behandelt worden zu sein. Gaius Marius fand die Lösung, als er noch in Africa gegen König Jugurtha kämpfte. Er siedelte die Besitzlosen auf ausländischem Staatsland an. Es war die mühevolle und lobenswerte Arbeit des letztjährigen Stadtprätors Gaius Julius Caesar, dies auf den Inseln der Kleinen Syrte zu tun. Ich bin der Meinung — und ich sage dies aus Sorge um unsere Zukunft, Senatoren —, daß Gaius Marius recht hatte und daß wir damit fortfahren sollten, plebejische Soldaten auf fremdem ager publicus anzusiedeln.«
Drusus hatte sich seit dem Beginn seiner Rede nicht von der Stelle bewegt. Auch jetzt blieb er an seinem Platz. Zwar hatten sich manche Gesichter wieder verhärtet, als er Gaius Marius’ Namen erwähnte, aber Marius selbst saß würdevoll und mit unbewegter Miene in der ersten Reihe der ehemaligen Konsuln. In der mittleren Reihe der Senatoren, die Marius gegenübersaßen, saß der ehemalige Prätor Lucius Cornelius Sulla, der von seiner Statthalterschaft in Kilikien zurückgekehrt war und Drusus’ Ausführungen aufmerksam lauschte.
»All das hat jedoch nichts mit dem schwersten und aktuellsten Übel zu tun, dem ager publicus in Italien und Sizilien. Hier muß etwas geschehen! Denn solange wir dieses Übel fortbestehen lassen, Senatoren, wird es unsere Moral, unser sittliches Verhalten und unser Gerechtigkeitsempfinden und den gesamten mos maiorum untergraben. Gegenwärtig gehört der italische ager publicus gewissen Senatoren und Rittern, die Weidewirtschaft in großem Stil betreiben. Der ager publicus in Sizilien gehört gewissen Großgrundbesitzern, die Weizen anbauen, von denen aber die meisten hier in Rom leben und ihre sizilischen Geschäfte Verwaltern und Sklaven überlassen. Eine stabile Situation, glaubt ihr? Denkt doch einmal über folgendes nach: Seit Tiberius und Gaius Sempronius Gracchus kann der ager publicus in Italien und Sizilien aufgeteilt und für ein Butterbrot verkauft werden. Was werden die Feldherren der Zukunft tun? Werden sie sich wie Gaius Marius damit begnügen, ihre Veteranen auf fremdem Boden anzusiedeln — oder werden sie ihre Veteranen dadurch umwerben, daß sie ihnen italisches Land versprechen? Wie ehrenvoll werden die Volkstribunen der Zukunft handeln? Ist es denn undenkbar, daß ein neuer Saturninus auftritt und die Massen damit umwirbt, daß er ihnen Land in Etruria, Campania, Umbria oder Sizilien verspricht? Wie ehrenvoll werden die Großgrundbesitzer der Zukunft handeln? Könnte es nicht sein, daß sie ihre Ländereien weiter vergrößern, bis ein, zwei oder drei Männer halb Italien oder Sizilien besitzen? Welchen Sinn hat es denn zu sagen, der ager publicus sei Staatsbesitz, wenn der Staat diesen Besitz verpachtet oder wenn die Führer des Staates mit Hilfe von Gesetzen mit diesem Besitz machen, was sie wollen?«
Drusus atmete tief ein. Er kam zum Schluß seiner Rede. »Ich sage euch: Schafft den ager publicus ab! Schafft das Staatsland in Italien und Sizilien ab! Laßt uns hier und jetzt all unseren Mut aufbieten und tun, was getan werden muß — laßt uns das gesamte Staatsland aufteilen und den Armen schenken, den Bedürftigen, den Veteranen, jedem und allen! Laßt uns
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