MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Bewegung aus dem schmalen Bett. Ihre Furcht kümmerte ihn nicht. Er zog sie an den Haaren vom Boden hoch, bis sie auf den Zehenspitzen stehen mußte, und schlug ihr immer wieder mit der Hand ins Gesicht. Sie schrie nicht, sondern gab so spitze Töne von sich, daß sie kaum zu hören waren. Der Ausdruck auf dem Gesicht ihres Vaters erschreckte sie mehr als die körperliche Mißhandlung. Sulla schlug sie zwölfmal, dann warf er sie weg wie eine ausgestopfte Puppe. In seiner Wut war es ihm gleichgültig, ob sie durch diesen letzten heftigen Stoß ums Leben kam oder nicht.
»Mach das nicht, Mädchen!« sagte er dann sehr leise. »Versuche nicht, mich durch einen Hungerstreik zu erpressen! Es wäre mir völlig gleichgültig, wenn du dabei umkommst. Deine Mutter starb beinahe, weil sie sich zu essen weigerte. Aber ich sage dir, du wirst das nicht tun! Meinetwegen kannst du dich zu Tode hungern oder an dem Essen ersticken, das ich in dich hineinstopfen werde, und zwar weit gröber, als ein Bauer seine Gans mästet! Aber du wirst den jungen Quintus Pompeius Rufus heiraten, und du wirst ihn mit einem Lächeln und einem Lied auf den Lippen heiraten, oder ich bringe dich um. Hast du mich verstanden? Ich bringe dich um, Cornelia.«
Ihr Gesicht brannte, ihre Augen waren blaugeschlagen, ihre Lippen geschwollen und aufgesprungen, aus ihrer Nase tropfte Blut, aber der Schmerz in ihrem Herzen war viel, viel schlimmer. Sie hatte nicht gewußt, daß es eine solche Wut gab, und sie hatte sich nie vor ihrem Vater gefürchtet oder sich um ihre eigene Sicherheit gesorgt. »Ich habe verstanden, Vater«, flüsterte sie.
Aelia wartete vor der Tür. Tränen liefen ihr über die Wangen, aber als sie eintreten wollte, packte Sulla sie am Arm und stieß sie zurück.
»Bitte, Lucius Cornelius, bitte!« stöhnte Aelia. Als Frau Sullas war sie entsetzt, als Mutter verängstigt.
»Laß sie allein«, sagte Sulla.
»Ich muß zu ihr! Sie braucht mich!«
»Sie bleibt, wo sie ist, und niemand wird zu ihr gehen.«
»Dann laß mich wenigstens zu Hause, bitte!« Aelia versuchte vergeblich, ihre Tränen zurückzudrängen; sie weinte immer heftiger.
Sullas gewaltige Wut schlug um, er konnte sein Herz heftig pochen hören. Tränen stiegen ihm in die Augen — doch es waren keine Tränen des Kummers. »Also gut, bleib zu Hause«, sagte er hart und atmete zitternd ein. »Ich werde die Freude meiner Familie über die bevorstehende Heirat zum Ausdruck bringen. Aber du wirst nicht zu ihr gehen, Aelia, oder ich behandle dich so, wie ich sie behandelt habe.«
Sulla ging also allein zum Haus des Quintus Pompeius Rufus auf dem Palatin, von dem man das Forum Romanum überblicken konnte. Die Familie des Pompeius Rufus war beeindruckt und erfreut, auch die Frauen, denen der Gedanke zusagte, daß der junge Quintus eines Tages eine patrizische Julia-Cornelia heiraten würde. Der junge Quintus war ein hübscher Bursche, mit grünen Augen und hellbraunen Haaren. Er war hochgewachsen und bewegte sich anmutig, aber Sulla brauchte nicht lange, um zu erkennen, daß er nicht halb so intelligent war wie sein Vater. Aber das war kein Schaden: Er würde später Konsul werden, weil auch sein Vater Konsul gewesen war, und er würde mit Cornelia Sulla rothaarige Kinder zeugen und ein guter, treuer und fürsorglicher Ehemann sein. Mit innerer Belustigung dachte Sulla: Auch wenn es seine Tochter nie zugeben würde, der junge Quintus Pompeius Rufus würde ein viel angenehmerer und verläßlicherer Ehemann sein als der verdorbene und arrogante Jüngling, den Gaius Marius gezeugt hatte.
Da die Familie des Pompeius Rufus im Grunde immer noch ländlichen Bräuchen anhing, endete das Essen bereits lange, bevor es dunkel wurde, obwohl es Winter war. Sulla wußte, daß er noch eine weitere Aufgabe zu erledigen hatte, bevor er nach Hause zurückkehrte. Er stand am oberen Ende der langen Treppe, die zur Via Nova und zum Forum Romanum führte, und blickte mit gerunzelter Stirn in die Ferne. Metrobius wohnte zu weit weg; ihn zu besuchen, wäre auch zu gefährlich gewesen. Womit konnte er sich die Stunde vertreiben, bis es dunkel war?
Er fand die Antwort, als sein Blick auf die rauchige Subura fiel — Aurelia natürlich. Gaius Julius Caesar war wieder einmal nicht zu Hause, er weilte als Statthalter in der Provinz Asia. Wenn er sicherstellte, daß eine Anstandsperson dabei war, konnte wohl niemand etwas gegen seinen Besuch einwenden. Sulla rannte mit einer Leichtfüßigkeit und
Weitere Kostenlose Bücher