Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
als die vorherige, die Zuhörer schienen sich immer mehr mit der Unvermeidlichkeit des Gesetzes abzufinden. Steter Tropfen höhlt den Stein. Drusus erschöpfte seine Gegner durch seine unermüdliche Würde und Milde, seine bewundernswert gute Laune, seine immer gegenwärtige Vernunft. Neben ihm wirkten seine Gegner ordinär, ungezogen und töricht.
    »Es geht nicht anders«, sagte Drusus, als er nach der achten Volksversammlung mit Scaurus auf der Treppe vor dem Senatsgebäude stand. Scaurus hatte von hier die Vorgänge in der Volksversammlung verfolgt. »Den adligen Politikern Roms fehlt die Geduld. Glücklicherweise besitze ich diese Qualität im Überfluß. Ich setze mich mit jedem auseinander, der mir zuhört, und das mögen sie. Sie mögen mich! Ich habe Geduld mit ihnen, und sie beginnen mir zu vertrauen.«
    »Seit Gaius Marius bist du der erste Mann, den sie wirklich gern haben«, sagte Scaurus wehmütig.
    »Mit gutem Grund«, antwortete Drusus. »Gaius Marius ist auch ein Mann, dem sie vertrauen können. Er spricht sie mit seiner wunderbaren Direktheit an, seiner Stärke, und er gibt ihnen das Gefühl, mehr zu ihnen als zum römischen Adel zu gehören. Ich verfüge nicht über seine natürlichen Vorteile — ich kann nun einmal nichts anderes als ein römischer Adliger sein. Aber die Geduld hat den Sieg errungen, Marcus Aemilius. Sie haben gelernt, mir zu vertrauen.«
    »Und du glaubst, daß die Zeit reif ist für eine Abstimmung?«
    »Ja.«
    »Soll ich die anderen Freunde zusammenrufen? Wir könnten bei mir zu Hause speisen.«
    »Der heutige Tag ist für mich so wichtig, daß ich denke, wir sollten bei mir zu Hause essen«, sagte Drusus. »Morgen entscheidet sich mein Schicksal, in welcher Weise auch immer.«
    Scaurus eilte davon, um Marius, Scaevola und Antonius Orator zu holen. Als er Sulla erblickte, winkte er auch ihm zu. »Marcus Livius lädt uns zum Essen ein. Kommst du auch, Lucius Cornelius?« Als er sah, daß Sulla zögerte, setzte er spontan hinzu: »Bitte komm! Es wird niemand dasein, der dir neugierige Fragen stellt, Lucius Cornelius!«
    Sulla brachte tatsächlich ein Lächeln zustande. »Also gut, Marcus Aemilius, ich komme.«
    Wäre es Anfang September gewesen, hätten die sechs Männer den Weg zu Drusus’ Haus allein zurücklegen müssen, denn obwohl Drusus viele Klienten hatte, war es nicht üblich, daß diese ihrem Patron nach dem Ende der Sitzungen auf dem Forum nach Hause folgten. Doch an diesem Tag der achten Volksversammlung war Drusus’ Gefolgschaft so gewaltig gewachsen, daß er und seine fünf Freunde den Mittelpunkt einer erregten Menge von ungefähr zweihundert Personen bildeten. Es dämmerte bereits. Die Gefolgschaft bestand nicht aus bedeutenden oder reichen Männern, die meisten gehörten der dritten oder vierten Klasse an, einige waren sogar Plebejer. Sie alle bewunderten und verehrten den standfesten, unbezwingbaren und integren Mann. Seit der zweiten Volksversammlung hatten sie ihn in ständig wachsender Zahl nach Hause begleitet, und heute waren es besonders viele, weil morgen die Abstimmung stattfinden würde.
    »Morgen also«, sagte Sulla unterwegs zu Drusus.
    »Ja, Lucius Cornelius. Sie haben gelernt, mir zu vertrauen, von den mächtigen Rittern bis hin zu den einfachen Männern, die uns hier umgeben. Ich sehe keinen Grund, die Abstimmung noch weiter hinauszuschieben. Morgen fällt sozusagen die Entscheidung. Wenn ich mein Ziel erreichen soll, dann werde ich es morgen erreichen.«
    »Es gibt keinen Zweifel, daß du es erreichen wirst, Marcus Livius«, sagte Marius zufrieden. »Und ich werde für dich stimmen.«
    Es war ein kurzer Weg. Sie gingen über das untere Forum bis zu den Treppen der Vestalinnen, und als sie dann rechts auf den Clivus Victoriae einbogen, lag das Haus des Drusus direkt vor ihnen.
    »Kommt herein, Freunde!« rief Drusus fröhlich der Menge zu. »Geht ins Atrium, ich werde mich dort von euch verabschieden.« Leise sagte er zu Scaurus: »Bringe die übrigen Freunde in mein Arbeitszimmer und wartet dort auf mich. Es wird nicht lange dauern, aber es wäre unhöflich, sie ohne Abschiedsrede nach Hause zu schicken.«
    Scaurus und die anderen vier gingen zum Arbeitszimmer voraus.
    Drusus geleitete seine drängelnde Gefolgschaft durch den großen Garten des Peristyls zu der großen Doppeltür an der rückwärtigen Seite der Kolonnade. Auf der anderen Seite der Tür lag das Atrium, ein wunderbarer Raum, der in lebhaften Farben ausgemalt war; jetzt lag er im

Weitere Kostenlose Bücher