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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Sohn eines Römers aus römischem Geschlecht, einen umsichtigen, im Grunde konservativen Mann?«
    Drusus wandte sich an die Senatoren auf der anderen Seite und breitete die Arme aus. »Wen hättet ihr denn lieber als Patron so vieler neuer Bürger, Senatoren? Marcus Livius Drusus oder Lucius Marcius Philippus? Marcus Livius Drusus oder Quintus Servilius Caepio? Marcus Livius Drusus oder Quintus Varius Severus Hybrida Sucronensis? Denn ihr müßt diese Entscheidung bald treffen, Senatoren — die Italiker werden das Bürgerrecht erhalten! Ich habe es geschworen, und ich werde es durchsetzen! Ihr habt meine Gesetze für ungültig erklärt, ihr habt mich meiner Aufgaben und Leistungen als Volkstribun beraubt. Aber mein Amtsjahr ist noch nicht abgelaufen, und ich habe mich euch gegenüber immer ehrenhaft verhalten, Senatoren! Ich werde das allgemeine Bürgerrecht für Italien übermorgen in der Volksversammlung beantragen, und ich werde eine Volksversammlung nach der anderen einberufen und die Angelegenheit diskutieren lassen, stets korrekt in religiöser Hinsicht, stets korrekt in formaler Hinsicht und stets friedlich und vernünftig. Denn welchen Eid auch immer es geben mag, ich schwöre euch hier und jetzt, daß ich mein Tribunatsjahr nicht beenden werde, ohne eine lex Livia in Kraft gesetzt zu haben — ein Gesetz, das jeden Mann vom Arno bis nach Rhegium, vom Rubikon bis nach Vereium, vom Tyrrhenischen Meer bis zur Adria zu einem römischen Vollbürger macht! Wenn mir die Italiker einen Eid geschworen haben, so habe auch ich ihnen einen Eid geschworen — daß ich ihnen während meiner Amtszeit zum Bürgerrecht verhelfen werde. Und das werde ich! Glaubt mir, das werde ich!«
    Drusus hatte gewonnen. Alle wußten es.
    »Das war brillant«, erklärte Antonius Orator. »Er hat sie so weit gebracht, daß sie das allgemeine Bürgerrecht für unvermeidlich halten. Sie sind gewohnt, Männer zerbrechen zu sehen, aber sie sind es nicht gewohnt, selbst zerbrochen zu werden! Und Drusus hat sie zerbrochen, Senatsvorsitzender, das sage ich dir!«
    »Ich glaube es auch«, sagte Scaurus, aus dessen Augen ein inneres Licht zu leuchten schien. »Weißt du, Marcus Antonius, ich habe immer geglaubt, daß mich in der römischen Politik nichts mehr überraschen könnte, daß alles irgendwann schon einmal gemacht wurde — und besser gemacht wurde. Aber Marcus Livius ist einzigartig. Rom hat noch nie einen Mann wie ihn gehabt. Und wird nie mehr einen Mann wie ihn haben, glaube ich.«

    Drusus stand zu seinem Wort. Er stellte sein Gesetz für die Einbürgerung der Italiker der Volksversammlung vor. Die Aura des unbezwinglichen Siegers umgab ihn und sicherte ihm die Bewunderung aller Anwesenden. Sein Ruhm war gewachsen, man sprach jetzt in allen Schichten der Gesellschaft über ihn. Seine konservativen Überzeugungen und seine eiserne Entschlossenheit, den Weg des Rechts und des Gesetzes zu beschreiten, machten eine neue Art Held aus ihm, denn ganz Rom war im Grunde konservativ, auch die Plebejer. Man jubelte Männern wie Saturninus zu, war aber nicht willens, um eines Saturninus’ willen römische Adlige zu töten. Der mos maiorum, jene Traditionen und Bräuche, die sich im Laufe der Jahrhunderte angesammelt hatten, galt sogar für die besitzlosen Plebejer. Und hier war nun endlich ein Mann, dem der mos maiorum genausoviel galt wie das Gesetz. Marcus Livius Drusus wurde allmählich in den Mantel eines Halbgottes gekleidet, und dies wiederum brachte die Leute dazu, alles für richtig zu halten, was er wollte.
    Philippus, Caepio, Catulus Caesar und ihre Gefolgschaft mußten hilflos mitansehen, wie Drusus seine Volksversammlungen in der zweiten Oktoberhälfte und bis in den November hinein durchführte. Metellus Pius das Ferkel schwankte unentschlossen zwischen den beiden Parteien. Die Sitzungen der Volksversammlung begannen zunächst eher stürmisch, aber Drusus war stets Herr der Situation. Er ließ jeden zu Wort kommen, sogar den Pöbel, erlag aber nie der Tyrannei oder der Versuchung der Massen. Wurde eine Versammlung zu hitzig, löste er sie auf. Anfangs hatte Caepio noch versucht, die Versammlungen zu sprengen, indem er Gewalt provozierte, aber dieses erprobte und bewährte Mittel verfehlte bei Drusus seine Wirkung. Er schien über einen angeborenen Instinkt für bevorstehende Gewaltakte zu verfügen und löste die Sitzungen auf, bevor Gewalt ausbrechen konnte.
    Sechs, sieben, acht Volksversammlungen... Jede Versammlung verlief ruhiger

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