MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Truppen die Brücke überquert hatten, konnten sie auf einer befestigten Straße gemächlich weitermarschieren und den Ausflug regelrecht genießen. Da sie aus Caepios guter Laune schon vor geraumer Zeit gefolgert hatten, daß dies eine Art Wanderung, aber kein Eilmarsch war, behielten sie die Schilde auf den Rücken und benutzen die Speere als Spazierstöcke, die ihnen die Last der Kettenhemden lindern halfen. Die Zeit verging rasch. Womöglich mußten sie die Nacht ohne Proviant im Freien verbringen, aber es hatte sich nicht gelohnt, mit Gepäck loszuziehen. Und das Benehmen des Oberbefehlshabers ließ erwarten, daß sie bald eine Belohnung bekommen würden.
Als beide Legionen in einer Kolonne am Fuß des Hügels versammelt waren, wo sich die Straße nach Nordosten wandte, stieg Silo wieder in den Sattel.
»Ich reite voraus, Quintus Servilius«, sagte er zu Caepio. »Ich will mich nur vergewissern, daß alles in Ordnung ist. Niemand soll sich so erschrecken, daß er Hals über Kopf davonläuft.«
Caepio ritt langsam weiter und sah Silos Gestalt in kurzem, leichtem Galopp davonsprengen und rasch kleiner werden. Nach mehreren hundert Schritten verließ Silo die Straße und verschwand hinter einem kleinen Felsen.
Die Marser fielen von allen Seiten über Caepios Marschkolonne her — aus der Richtung, in der Silo verschwunden war, und von hinten, hinter jedem Felsen, Stein und Erdwall auf beiden Seiten der Straße sprangen Marser hervor. Die Römer hatten keine Chance. Bevor sie die Schilde aus den Fellüberzügen ziehen, sie nach vorn richten, die Schwerter zücken und die Helme richtig aufsetzen konnten, waren vier Legionen der Marser, Tausende von Soldaten, mitten unter ihnen und schlugen auf sie ein, als wäre es eine militärische Übung. Caepios Soldaten fielen bis auf einen: Die einzige Ausnahme war Caepio selbst. Er wurde zu Beginn des Gemetzels gefangengenommen und mußte zusehen, wie seine Soldaten einer nach dem anderen tot zu Boden stürzten.
Als das Blutbad vorüber war und sich auf und an der Straße kein Römer mehr rührte, kam Quintus Poppaedius Silo wieder zum Vorschein. Mit Scato, Fraucus und seinen Legaten ritt er an Caepio heran, ein breites Lächeln auf den Lippen.
»Nun, Quintus Servilius, was sagst du nun?«
Caepio war totenbleich und zitterte, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Du vergißt, Quintus Poppaedius«, sagte er, »daß ich noch immer deine Kinder als Geiseln habe.«
Silo lachte laut auf. »Meine Kinder? Nein! Du hast die Kinder der beiden Sklaven in der Hand. Und ich bekomme sie wieder, mitsamt meinem Esel. In deinem Lager leistet mir keiner Widerstand.« Die unheimlichen Augen glänzten kalt und golden. »Die Ladung des Esels schleppe ich allerdings nicht mit. Die kannst du behalten.«
»Es ist Gold!« rief Caepio entgeistert.
»Nein, Quintus Servilius. Kein Gold. Es ist Blei, überzogen von einer hauchdünnen Schicht Gold. Wenn du daran gekratzt hättest, hättest du es bemerkt. Aber ich kenne Caepio besser! Du könntest dich nicht überwinden, ein Stück Gold anzukratzen, und wenn dein Leben davon abhinge — und es hing davon ab.« Silo zog das Schwert, stieg vom Pferd und schritt auf Caepio zu.
Fraucus und Scato traten ebenfalls auf Caepio zu und zogen ihn aus dem Sattel. Ohne ein Wort nahmen sie ihm die Rüstung und das Unterzeug aus gehärtetem Leder ab. Caepio begriff, was die Stunde geschlagen hatte, und begann verzweifelt zu weinen.
»Ich würde dich gerne um dein Leben betteln hören, Quintus Servilius Caepio«, sagte Silo, als er so nah vor Caepio stand, daß er zuschlagen konnte.
Aber Caepio konnte nicht bitten. Seit er bei Arausio geflohen war, war er in keiner wirklich gefährlichen Lage mehr gewesen, nicht einmal, als der Stoßtrupp der Marser sein Lager angegriffen hatte. Schlagartig verstand er den Zweck ihres Angriffs: Sie hatten eine Handvoll Männer verloren, aber die Sache war es wert gewesen. Silo hatte das Lager ausgekundschaftet und Pläne geschmiedet. Wenn Caepio sich jemals eine Situation wie die jetzige vorgestellt hätte, wäre er wohl zum Schluß gekommen, daß er tatsächlich um sein Leben betteln würde. Aber jetzt, wo es wirklich ums Leben ging, konnte er nicht bitten. Quintus Servilius Caepio mochte kein besonders tapferer Römer sein, aber Römer war er allemal, und dazu einer von hohem Rang, ein Patrizier und Adeliger. Er konnte weinen, und wer würde je erfahren, wie sehr er um sein Leben und um dieses schöne Gold
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