MoR 02 - Eine Krone aus Gras
dunklen Augen und den vorstehenden Backenknochen. Mamercus war der letzte von zwei Familien. Man mußte ihn unterstützen und ihm beistehen, so gut es ging.
»Ich denke, du mußt dich auf alle Fälle den Wünschen deiner Frau beugen, Mamercus. Das bedeutet, daß du die Kinder im Hause des Marcus Drusus lassen mußt. Und das wiederum bedeutet, daß du einen edlen Menschen finden mußt, der sich vor Ort um sie kümmert.«
»Aber wo finde ich einen solchen Menschen?«
»Überlaß das mir, Mamercus«, sagte Scaurus energisch. »Ich finde schon jemanden.«
Zwei Tage später hatte Scaurus jemanden gefunden. Zufrieden mit sich selbst rief er Mamercus zu sich.
»Erinnerst du dich an diesen sonderbaren Quintus Servilius Caepio, der zwei Jahre vor dem Sieg unseres hochgeschätzten Verwandten Aemilius Paullus über Perseus von Makedonien bei Pydna Konsul war?« fragte Scaurus.
Mamercus grinste. »Ich erinnere mich nicht an ihn persönlich, Marcus Aemilius. Aber ich weiß, wen du meinst.«
»Gut«, sagte Scaurus und grinste zurück. »Dieser sonderbare Quintus Servilius Caepio hatte drei Söhne. Der älteste wurde von der Sippe Fabius Maximus adoptiert, mit üblem Ausgang — Eburnus und sein unglückseliger Sohn.« Scaurus sprach genüßlich weiter. Er war ein hervorragend beschlagener Experte in der Genealogie der römischen Aristokratie und konnte jedem bedeutenden Römer seinen Stammbaum aufzeichnen. »Der jüngste Sohn Quintus zeugte den Konsul Caepio, der das Gold von Tolosa gestohlen und die Schlacht bei Arausio verloren hat. Und er zeugte ein Mädchen namens Servilia, das unseren geschätzten Konsular Quintus Lutatius Catulus Caesar geheiratet hat. Von Caepio dem Konsul stammte jener Caepio ab, der kürzlich vom Marser Silo getötet wurde, ebenso das Mädchen, das deinen Bruder Drusus geheiratet hat.«
»Du hast den mittleren Sohn ausgelassen«, sagte Mamercus.
»Mit Absicht, Mamercus, mit voller Absicht! Ihm gilt heute mein besonderes Interesse. Er hieß Gnaeus und heiratete sehr viel später als sein jüngerer Bruder Quintus, so daß sein Sohn, ein Gnaeus natürlich, das für einen Quästor notwendige Alter erst erreichte, als sein ältester Vetter schon Konsular war und die Schlacht bei Arausio verloren hatte. Der junge Gnaeus war Quästor in der Provinz Asia. Er hat kürzlich eine Porcia Liciniana geheiratet — ohne große Mitgift, aber die brauchte er auch nicht. Er war ziemlich wohlhabend wie alle aus seiner Sippe. Als Gnaeus in die Provinz Asia reiste, hatte er ein Kind gezeugt, ein Mädchen, das ich zur Unterscheidung von den anderen Servilias Servilia Gnaea nennen will. Jedenfalls kam Gnaeus das Geschlecht dieses Kindes sehr ungelegen.«
Scaurus machte eine Pause und strahlte. »Ist es nicht herrlich, mein lieber Mamercus, auf welch verschlungene Art alle unsere Familien miteinander verbunden sind?«
»Eher erschreckend«, meinte Mamercus.
»Um auf das zweijährige Mädchen Servilia Gnaea zurückzukommen«, fuhr Scaurus fort und lehnte sich behaglich in seinem Stuhl zurück, »ich habe das Wort >ungelegen< aus gutem Grund gebraucht. Gnaeus Caepio hatte, bevor er als Quästor in die Provinz Asia abreiste, vorsichtshalber sein Testament gemacht. Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, daß er einen Augenblick daran dachte, daß es auch vollstreckt würde. Nach der lex Voconia de mulierum hereditatibus war Servilia Gnaea — ein Mädchen! — nicht erbschaftsberechtigt. Deshalb vermachte er sein riesiges Vermögen seinem ersten Vetter, jenem Caepio, der das Gold von Tolosa gestohlen und die Schlacht bei Arausio verloren hat.«
»Ich bemerke, Marcus Aemilius, daß du sehr offen bist, was den Verbleib des Goldes von Tolosa angeht. Jeder sagt, daß er es gestohlen hat. Aber ich habe es noch nicht erlebt, daß eine Person mit deiner Amtsgewalt das so deutlich ausspricht.«
Scaurus machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ach, wir wissen es doch alle, Mamercus. Warum nicht offen sein? Ich habe nicht den Eindruck, daß du besonders geschwätzig bist. Ich denke, bei dir ist es gut aufgehoben.«
»Das stimmt.«
»Jedenfalls vereinbarte Gnaeus mit Caepio von Arausio und vom Gold von Tolosa, daß er das Vermögen im Falle einer Erbschaft an Servilia Gnaea weitergeben sollte. Gnaeus hatte das Mädchen im Testament, so weit es das Gesetz zuließ, natürlich bedacht — eine lächerliche Summe verglichen mit dem Ganzen. Dann fuhr er als Quästor in die Provinz Asia. Auf der Rückreise erlitt er Schiffbruch und
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