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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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gegeben.«
    »Das stimmt. Deshalb haben Lucius Cato Licinianus und Aulus Plotius die Truppen von Sextus Julius abgezogen und sind losmarschiert, Plotius nach Umbrien und Cato Licinianus nach Etrurien«, sagte Marius.
    »Was macht Sextus Julius jetzt?«
    Der junge Marius antwortete unaufgefordert mit lauter Stimme: »Er erholt sich in Rom. >Eine schlimme Brust<, so nennt es meine Mutter in ihrem letzten Brief.«
    Sulla warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Auch wenn der Vater Oberbefehlshaber war, ein Kadett hatte sich nicht ins Gespräch zu mischen!
    »Der Feldzug in Etrurien ist Cato Licinianus zweifellos von ungeheurem Nutzen, wenn er sich zum Konsul aufstellen läßt«, sagte Sulla. »Vorausgesetzt, er schlägt sich gut. Aber das wird er wohl.«
    »Das denke ich auch.« Marius rülpste kräftig. »Es ist eine Operation von der Größe einer Erbse — passend für ein Erbsengehirn wie Cato Licinianus.«
    Sulla grinste. »Wie, Gaius Marius, nicht beeindruckt?«
    Marius zwinkerte. »Du vielleicht?«
    »Sicher nicht.« Sulla hatte genug vom Wein und griff nach dem Wasser. »Was stellen wir einstweilen an? Wir haben schon die zweite Woche im September, und ich muß bald wieder in die Campania zurück. Ich möchte die verbleibende Zeit so gut wie möglich nutzen.«
    »Ich kann einfach nicht glauben, daß Lucius Julius einem Egnatius in der Melfa-Schlucht in die Falle geht!« unterbrach der junge Marius.
    »In deinem Alter, mein Junge, weiß man noch nicht, welche Ausmaße die menschliche Dummheit erreichen kann«, sagte Marius, der dem Kommentar zustimmte und es seinem Sohn offensichtlich nicht übel nahm, daß er vorlaut war. Dann wandte er sich an Sulla. »Wir können von Lucius Julius nichts erwarten, jetzt, wo er zum zweiten Mal in Teanum Sidicinum ist und ein Viertel seiner Armee verloren hat. Wozu also schnell zurückkehren, Lucius Cornelius? Um Lucius Julius die Hand zu tätscheln? Das tun wahrscheinlich schon viele. Ich schlage vor, wir marschieren gemeinsam nach Alba Fucentia«, sagte er mit einem merkwürdigen Geräusch zwischen Lachen und Würgen am Schluß.
    Sulla erstarrte. »Geht’s dir gut?« fragte er nachdrücklich.
    Marius’ rotbraune Gesichtsfarbe wurde einen Augenblick aschfahl. Dann erholte er sich und lachte. Diesmal klang es wie ein richtiges Lachen. »Bestens, nach so einem Tag, Lucius Cornelius! Nun, wie ich sagte, wir entsetzen Alba Fucentia, und dann — nun, dann hätte ich Lust auf einen Spaziergang durch Samnium, du nicht? Wir lassen Sextus Julius zur Belagerung von Asculum Picentum zurück, während wir den samnitischen Stier piesacken. Langweilige Belagerungen sind nicht meine Sache.« Er kicherte beschwipst. »Wäre es nicht lustig, wenn du in Teanum Sidicinum bei Lucius Julius auftauchtest, mit Aesernia als Geschenk in einer Falte deiner Toga? Was wäre er dankbar!«
    »Bestimmt sehr dankbar, Gaius Marius.«
    Die Gesellschaft löste sich auf. Sulla und Marius’ Sohn brachten Gaius Marius kurzerhand ins Bett. Dann machte sich der junge Marius davon, mit einem strafenden Blick auf Sulla, der noch dastand und den massigen Körper auf der Liege eingehend betrachtete.
    »Lucius Cornelius«, lallte Marius, »weck mich morgen doch bitte persönlich. Ich habe privat mir dir zu reden. Kann ich heute abend nicht mehr. Oh, der Wein!«
    »Schlaf gut, Gaius Marius. Morgen geht das wieder.«
    Aber am nächsten Morgen ging es ganz und gar nicht. Als sich Sulla — der sich auch nicht besonders wohl fühlte — in den hinteren Teil des Kommandozeltes wagte, fand er den massigen Körper auf dem Bett in derselben Stellung vor, in der er ihn in der Nacht zuvor verlassen hatte. Mit finsterer Miene trat Sulla an das Bett heran und spürte den Schauder des Entsetzens. Nicht, daß er befürchtet hätte, Marius sei tot, er hatte die Atemzüge im vorderen Teil des Zeltes zu deutlich gehört. Sulla blickte nach unten und sah, wie die rechte Hand kraftlos am Laken zupfte und zog. Er sah Marius’ verdrehte, aber noch lebendige Augen, in denen sich ein an Wahnsinn grenzender Schrecken spiegelte. Von der Wange bis zum Fuß war die gesamte linke Körperseite schlaff, unbeweglich und reglos. Der Koloß aus Arpinum war, ohne einen Laut von sich zu geben, außer Gefecht gesetzt, getroffen von einem unabwehrbaren Hieb, den man erst bemerkt und spürt, wenn es zu spät ist.
    »Schlag«, murmelte Marius.
    Sulla fuhr ihm unwillkürlich mit der Hand über das schweißverklebte Haar. Jetzt konnte man ihn lieben. Jetzt

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