Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
gab es ihn nicht mehr. »Mein armer alter Freund!« Sulla näherte sich mit der Wange Marius’ Wange, drehte seine Lippen in das feuchte Rinnsal seiner Tränen. »Mein armer alter Freund! Jetzt bist du endlich erledigt.«
    Die Worte kamen sofort, furchtbar verzerrt, und doch so deutlich, daß man sie verstehen konnte, wenn man so nah an einem Gesicht war:
    »Nicht... erledigt... sieben... mal.«
    Sulla wich zurück, als wäre Marius von der Liege aufgefahren und hätte ihm einen Schlag versetzt. Als er sich mit der Handfläche die eigenen Tränen abwischte, entfuhr ihm ein kurzes, schrilles Lachen, ein Lachen, das so abrupt endete, wie es begonnen hatte. »Wenn ich etwas zu sagen habe, dann bist du erledigt, Gaius Marius. Du bist erledigt!«
    »Nicht... erledigt«, stöhnte Marius. Seinen Augen war anzusehen, daß der Schlaganfall nur seinen Körper, nicht seinen Geist getroffen hatte. Aber er blickte nicht mehr entsetzt, sondern böse. »Sieben... mal.«
    Mit einem einzigen Riesenschritt sprang Sulla zu dem Durchlaß zwischen dem vorderen und hinteren Raum und schrie um Hilfe, als schnappten alle hungrigen Mäuler des Höllenhundes nach ihm.
    Erst als sämtliche Feldärzte herbeigeeilt und wieder verschwunden waren und man Marius versorgt hatte, so gut es ging, rief Sulla die Männer zusammen, die sich vor dem Zelt herumtrieben. Der junge Marius versperrte ihnen den Zugang, Tränen liefen ihm über das Gesicht.
    Die Versammlung fand im Forum des Lagers ab. Sulla hielt es für das Klügste, den einfachen Soldaten zu zeigen, daß etwas unternommen wurde. Die Nachricht von Marius’ Schlaganfall hatte sich rasch verbreitet, und sein Sohn weinte beileibe nicht als einziger.
    »Ich übernehme das Kommando«, verkündete Sulla einem Dutzend Männer um ihn herum.
    Keiner protestierte.
    »Wir kehren sofort nach Latium zurück, bevor Silo oder Mutilus die Nachricht erfahren.«
    Jetzt regte sich Protest. Ein Marcus Caecilius aus dem Zweig mit dem Beinamen Cornutus schimpfte: »Das ist lächerlich! Wir sind keine zwanzig Meilen von Alba Fucentia entfernt, und du sagst, wir sollen umkehren und zurückmarschieren?«
    Sulla preßte die Lippen aufeinander, machte eine ausladende Geste mit dem Arm und deutete auf die zahlreichen Gruppen von Soldaten, die weinend dastanden. »Schau sie dir an, du Dummkopf!« zischte er. »Willst du mit denen ins Kernland des Feindes ziehen? Sie sind bestimmt nicht in der richtigen Stimmung dazu.
    Wir müssen sie trösten, bis wir hinter den eigenen Grenzen in Sicherheit sind, Cornutus — und dann müssen wir einen neuen Oberbefehlshaber finden, dem sie wenigstens einen Bruchteil der Liebe entgegenbringen können, die sie Gaius Marius entgegengebracht haben!«
    Cornutus öffnete den Mund und wollte etwas sagen, aber dann machte er ihn wieder zu und zuckte hilflos die Achseln.
    »Hat noch jemand etwas zu sagen?« fragte Sulla.
    Das war nicht der Fall.
    »Also in Ordnung. Brecht im Eiltempo das Lager ab. Ich habe meine Legionen auf der anderen Seite der Weingärten schon informiert. Sie erwarten uns an der Straße.«
    »Was ist mit Gaius Marius?« fragte Licinius. »Wenn wir ihn transportieren, stirbt er uns vielleicht.«
    Die Soldaten erstarrten vor Schreck, als Sulla polternd loslachte: »Gaius Marius? Der ist mit einem Opferbeil nicht totzukriegen, Junge!« Als er die Betroffenheit der Soldaten bemerkte, wartete er erst, bis er sich wieder ganz im Griff hatte, und sprach dann weiter. »Keine Angst, Männer, Gaius Marius hat mir vor weniger als zwei Stunden persönlich versichert, daß es mit ihm gewiß nicht vorbei ist. Und ich glaube ihm! Deshalb nehmen wir ihn mit. Wir werden genug Freiwillige finden, die seine Sänfte tragen.«
    »Gehen wir alle nach Rom?« fragte Licinius schüchtern.
    Erst jetzt, da sich Sulla wieder völlig in der Gewalt hatte, fiel ihm auf, wie betroffen und erschüttert die Männer waren. Er hatte römische Adelige vor sich, das bedeutete, daß sie alles genau durchdachten und von ihrer eigenen Sichtweise her abwägten. Eigentlich hätte er sie so vorsichtig anfassen müssen wie neugeborene Kätzchen.
    »Nein, wir marschieren nicht alle nach Rom«, sagte Sulla ohne eine Spur Zartgefühl in Ton und Gesten. »Wenn wir Carseoli erreichen, übernimmst du, Marcus Cornelius Cornutus, das Kommando über die Armee. Du führst sie ins Lager vor Reate. Sein Sohn und ich bringen Gaius Marius mit fünf Kohorten als Ehrengarde nach Rom.«
    »Sehr gut, Lucius Cornelius. Wenn du es so

Weitere Kostenlose Bücher