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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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mitzuerleben, und bei Julilla hatte es ihn befriedigt, ihren Tod verursacht zu haben; denn es konnte keinen Zweifel daran geben, daß sie, wenn sie seine »Wiedersehensfeier« mit Metrobius nicht mitangesehen hätte, weiterhin Wein in sich hineingeschüttet und ihre großen, hohlen, gelben Augen in stillem, traurigem Vorwurf auf ihn gerichtet hätte. Aber bei Aurelia konnte er auf keine Reaktion hoffen, die seine Anwesenheit in ihrem Haus überdauern würde. Sobald er aus dem Haus getreten war, hatte sie gewiß die Erinnerung an ihre vorübergehende Entgleisung verdrängt und sich wieder in die Arbeit gestürzt. Morgen würde sie ihn vollständig vergessen haben. So war Aurelia. Sie sollte verrotten! Sie sollte von Würmern zerfressen werden, die heimtückische Sau!
    Mitten in diesen vergeblichen Flüchen fing er sich, und die schiefe Karikatur eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht. In Flüchen konnte er keinen Trost finden. Lächerlich, absurd. Die Götter beachteten menschliche Enttäuschungen und Begierden nicht, und Sulla gehörte nicht zu denen, die auf dunkle, geheimnisvolle Weise ihre zerstörerischen Gedanken in einen Todeswunsch umwandeln konnten, der auch Früchte trug. Aurelia lebte noch in ihm, also mußte er sie aus sich verbannen, bevor er nach Spanien ging, denn er wollte all seine Kräfte auf die Beförderung seiner Karriere konzentrieren. Er brauchte einen Ersatz für die Ekstase, die er bei der Erstürmung von Aurelias Zitadelle empfunden hätte. Zwar hatte er sie erst in dem Augenblick verführen wollen, als er ihren auf ihn gerichteten Blick bemerkt hatte, aber das spielte keinerlei Rolle — die Begierde war so machtvoll und alles beherrschend gewesen, daß er sich noch immer nicht davon freimachen konnte.
    Rom, natürlich. Einmal in Spanien, war alles vorüber. Wie gern hätte er sich jetzt irgendeine Art von Befriedigung verschafft. Im Feld verspürte er nie diese gräßliche Verbitterung, vielleicht weil er dort gar keine Zeit dazu hatte, vielleicht auch, weil er dort ständig vom Tod umgeben war oder weil er sich sagen konnte, daß er sich dort auf dem Weg nach oben befand. Aber in Rom — und er war jetzt seit fast drei Jahren in Rom — überkam ihn über kurz oder lang eine lähmende Langeweile, von der er sich bisher nur durch wirklichen Mord oder Mord im übertragenen Sinn hatte erlösen können.
    Er verfiel in einen nüchternen Traum. Gesichter kamen und gingen, Gesichter von Opfern und solchen, die er gern als seine Opfer gesehen hätte. Julilla. Aelia. Delmatica. Lucius Gavius Stichus. Clitumna. Nikopolis. Catulus Caesar — welch ein Spaß wäre es, dieses arrogante Kamelgesicht für immer auszulöschen! Scaurus. Metellus Numidicus Schweinebacke. Schweinebacke... Sulla stand langsam auf und schloß langsam die geheime Schublade. Die kleine Flasche behielt er in der Hand.
    Die Wasseruhr zeigte Mittag an. Sechs Stunden des Tages waren vergangen, sechs Stunden lagen noch vor ihm. Tropf, tropf, tropf. Mehr als Zeit genug, Quintus Caecilius Metellus Numidicus Schweinebacke einen Besuch abzustatten.

    Bei seiner Rückkehr aus dem Exil hatte Metellus Numidicus festgestellt, daß er so etwas wie eine Legende geworden war. Noch längst nicht alt genug zum Sterben, sagte er sich triumphierend, war er doch schon zur sagenhaften Gestalt geworden, von der man sich auf dem Forum erzählte. Man sprach von seiner homerischen Karriere als Zensor, seiner Furchtlosigkeit im Umgang mit Lucius Equitius, den Prügeln, die er bezogen hatte, und davon, wie er mutig wiedergekommen war, nur um weitere zu beziehen. Man erzählte sich, wie er ins Exil gegangen war, während sein stotternder Sohn den endlosen Strom von Denaren ge- ge-ge-gezählt hatte, die Sonne über der Curia Hostilia unterging und Gaius Marius darauf wartete, seinen Treueid auf das zweite Landgesetz des Saturninus zu erneuern.
    Ja, dachte Metellus Numidicus, nachdem der letzte Klient des Tages gegangen war, ich werde als der Größte einer großen Familie in die Geschichte eingehen, als Quintus, die Quintessenz der metellischen Caecilier. Und er schwelgte in seinem Stolz, war froh, wieder zu Hause zu sein, freute sich über den Empfang, den er bekommen hatte, und war rundum zufrieden. Ja, es war ein langer Kampf gegen Gaius Marius gewesen! Aber nun war er endgültig vorbei. Er hatte gewonnen, und Gaius Marius hatte verloren. Nie wieder würde Rom von Gaius Marius gedemütigt werden.
    Der Verwalter klopfte an die Tür seines

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