MoR 02 - Eine Krone aus Gras
verfolgte, die eben jenes zu vereiteln versucht hatten. Lucius Caesars jüngerer Bruder, der schielende Caesar Strabo, zog das große Los und bereitete den ersten Fall der Kommission des Plautius vor: die Anklage gegen Quintus Varius Severus Hybrida Sucronensis.
Caesar Strabo agierte wie stets brillant. Das Urteil war nur noch eine Formsache und stand schon lange vor dem letzten Tag des Verfahrens gegen Varius fest, vor allem weil die Kommission dank der lex Plautia, den Rittern aus den Händen genommen und nunmehr mit Bürgern aller Klassen der fünfunddreißig Tribus besetzt war. Quintus Varius zog es vor, das Verbannungsurteil nicht abzuwarten und nahm — sehr zum Kummer und Schrecken seiner engen Freunde Lucius Marcius und Gaius Flavius Fimbria — eine Dosis Gift. Leider traf er eine so ungeschickte Wahl, daß er erst nach mehrtägigem, qualvollem Todeskampf starb. Wenig Freunde erschienen zu seinem Begräbnis. Fimbria schwor einen Eid, er werde sich an Caesar Strabo rächen.
»Ratet einmal, ob ich Angst habe«, sagte Caesar Strabo zu seinen Brüdern Quintus Lutatius Catulus Caesar und Lucius Julius Caesar, die an der Bestattung nicht teilgenommen, das Geschehen aber mit dem Senatsvorsitzenden Scaurus von den Stufen des Senates aus beobachtet hatten.
»Du würdest es wagen und Herkules oder Hades herausfordern«, sagte Scaurus und rollte die Augen.
»Ich sage dir, was ich wagen würde: Ich würde für das Konsulat kandidieren, ohne vorher Prätor gewesen zu sein«, sagte Caesar Strabo rasch.
»Und warum würdest du das tun?« fragte Scaurus.
»Um eine Klausel im Gesetz auszuprobieren.«
»Oh ihr Advokaten!« rief Catulus Caesar. »Ihr seid alle gleich. Ihr würdet es noch fertigbringen, anhand eurer Klauseln nachzuprüfen, ob eine Vestalin Jungfrau sein muß.«
»Soweit ich weiß, haben wir das schon!« lachte Catulus Caesar.
»Gut«, sagte Scaurus. »Ich will sehen, wie es um Gaius Marius steht. Anschließend gehe ich nach Hause und arbeite meine Rede aus.« Er sah Catulus Caesar an. »Wann brichst du nach Capua auf?«
»Morgen.«
»Laß es, Quintus Lutatius, ich bitte dich! Bleib bis zum Ende der Marktwoche und hör dir meine Rede an. Sie ist wahrscheinlich eine der bedeutendsten meiner Laufbahn.«
»Das will etwas heißen«, sagte Catulus Caesar, der von Capua heraufgekommen war, um mitzuerleben, wie sein Bruder die Besteuerung von Troja aufhob. »Darf ich nach dem Thema fragen?«
»Aber natürlich. Es geht darum, wie wir uns auf den Krieg mit König Mithridates von Pontos vorbereiten«, sagte Scaurus leichthin.
Alle Caesars starrten ihn an.
»Wie ich sehe, glaubt auch von euch keiner, daß es Krieg geben wird. Aber er kommt, meine Herren, das verspreche ich!« Scaurus verschwand in Richtung Clivus Argentarius.
Bei Julia traf er ihre Schwägerin Aurelia an. Beide Frauen sahen so hübsch, so ausgesprochen römisch aus, daß er ihnen unwillkürlich die Hand küßte, eine für Scaurus ungewöhnliche Ehre.
»Ist dir nicht wohl, Marcus Aemilius?« fragte Julia mit einem Lächeln und einem Seitenblick auf Aurelia.
»Ich bin sehr müde, Julia, aber niemals so müde, daß ich die Schönheit nicht mehr zu schätzen wüßte.« Scaurus deutete mit dem Kopf auf die Tür des Arbeitszimmers. »Und wie geht es dem großen Mann heute?«
»Seine Stimmung hat sich dank Aurelia gebessert«, sagte Julia.
»Er hat Gesellschaft bekommen.«
»So?«
»Mein Sohn«, sagte Aurelia.
»Ein Knabe?«
Julia lachte und ging ihm den Weg zum Arbeitszimmer voran. »Mit noch nicht elf Jahren ist er das wohl. In jeder anderen Hinsicht, Marcus Aemilius, ist der kleine Caesar mindestens so alt wie du. Gaius Marius macht rasche Fortschritte, aber er langweilt sich. Mit der Lähmung kann er sich im Augenblick noch nicht frei bewegen, und es ist schrecklich für ihn, daß er ans Bett gefesselt ist.« Sie öffnete die Tür und sagte: »Marcus Aemilius ist da, mein Gemahl.«
Marius lag auf einer Liege unter dem Fenster, das sich zum säulenumstandenen Innenhof öffnete. Die bewegungsunfähige linke Seite war auf Kissen gebettet, die rechte Seite war dem Inneren des Raumes zugewandt. Auf einem Schemel zu seinen Füßen saß Aurelias Sohn, das zumindest schloß Scaurus, der den Knaben noch nie gesehen hatte.
Ein echter Caesar, dachte er, nachdem er eben erst in Gesellschaft dreier Caesaren gewesen war. Schon groß für sein Alter, blond und stattlich. Der Knabe stand auf. Er sah auch Aurelia ähnlich.
»Princeps Senatus, das
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