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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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starrte zu Boden und wartete, daß ihn Pompeius allein ließ.
    »Du brauchst deshalb nicht gleich zu verzweifeln«, sagte Pompeius munter. »Mein Vater und ich wissen, daß du mit Schwert und Schild trotzdem ein Löwe sein kannst! Damit eroberst du sein Herz!«
    »Ich bin aber kein Löwe mit Schwert und Schild«, sagte Cicero mit piepsender Stimme. »Aber auch keine Maus, damit wir uns verstehen. Die Wahrheit ist, daß meine Hände und Füße nichts taugen, und das kann ich weder verbergen noch ändern.«
    »Du hast recht, daß du dich auf dem Forum in Szene setzt«, erwiderte Pompeius.
    Cicero holte tief Luft. »Du weißt, wer ich bin?«
    »Natürlich.« Die dichten Wimpern an den leuchtenden Augen klimperten. »Volksreden sind nicht meine Stärke, auch das ist die Wahrheit. Meine Hauslehrer haben es mir jahrelang unsonst einzuprügeln versucht, ohne Erfolg. Bei mir ist es Zeitverschwendung. Ich lerne einfach nicht, was der Unterschied zwischen sententia und epigramma ist, und color und descriptio sind mir völlig egal!«
    »Aber wie willst du den Beinamen >der Große< verdienen, wenn du nicht reden kannst?« fragte Cicero.
    »Und wie willst du etwas Großes werden, wenn du nicht mit dem Schwert umgehen kannst?«
    »Ach so! Du wirst ein zweiter Gaius Marius.«
    Pompeius gefiel der Vergleich nicht. Er blickte Cicero finster an. »Kein zweiter Gaius Marius!« knurrte er wütend. »Ich werde ich sein, und Gaius Marius ist neben mir ein Waisenknabe!«
    Cicero kicherte, die dunklen Augen unter den schweren Lidern begannen zu funkeln. »Das würde mir gefallen, Gnaeus Pompeius!« rief er.
    Eine Gestalt war an sie herangetreten. Als sich die beiden Burschen umwandten, stand Gnaeus Pompeius Strabo vor ihnen, massig wie ein Felsblock, wenn auch nicht besonders groß. Er ähnelte äußerlich sehr dem Sohn, doch waren die Augen nicht so blau und schielten so erbärmlich, daß sie über den Nasenrücken nicht hinauszusehen schienen. Sie gaben ihm etwas Rätselhaftes und Häßliches, etwas Unberechenbares.
    »Wer ist das?« fragte er seinen Sohn.
    Der junge Pompeius tat daraufhin etwas, was Cicero ihm ein ganzes Leben nicht vergessen und immer danken würde. Er legte seinen muskulösen Arm um Ciceros Schultern und drückte sie.
    Fröhlich und ganz selbstverständlich sagte er: »Das ist mein Freund Marcus Tullius Cicero. Er ist zu deinem Stab abkommandiert worden, Vater. Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um ihn.«
    »Was?« grunzte Pompeius Strabo. »Wem verdanke ich das zweifelhafte Glück?«
    »Dem Senatsvorsitzenden Marcus Aemilius Scaurus«, piepste Cicero mit dünner Stimme.
    Der erste Konsul nickte. »Ja, das sieht ihm ähnlich, dem sarkastischen Hundsfott! Ich wette, er sitzt zu Hause und lacht sich tot.« Er wandte sich gleichgültig ab. »Du hast Glück, citocada, daß du der Freund meines Sohnes bist. Sonst würde ich dich den Schweinen zum Fraß vorwerfen.«
    Cicero schoß das Blut in den Kopf. Eine solche Sprache hatte es in seiner Familie nicht gegeben, der Vater hatte vulgäre Ausdrücke nicht geduldet. Es war ein Schock für ihn, daß ein Konsul derartige Wörter in den Mund nahm.
    »Du bist wohl eine richtige Dame, Marcus Tullius, was?« fragte Pompeius grinsend.
    »Man kann unsere großartige lateinische Sprache auf schönere und wohlklingendere Art benutzen als zu rüden Beschimpfungen«, entgegnete Cicero würdevoll.
    Der neue Freund fuhr wütend auf. »Willst du etwa meinen Vater zurechtweisen?« zischte er.
    Cicero trat hastig den Rückzug an. »Nein, nein, Gnaeus Pompeius. Ich sage das nur, weil du mich eine Dame genannt hast!«
    Pompeius entspannte sich und lächelte wieder. »Nochmals dein Glück! Ich mag es nicht, wenn man an meinem Vater etwas auszusetzen hat.« Er blickte Cicero neugierig an. »Schimpfwörter sagt doch jeder, Marcus Tullius. Sogar die Dichter benützen sie manchmal. In der ganzen Stadt sind die Mauern damit vollgekritzelt, vor allem an Puffs und öffentlichen Latrinen. Und wenn ein Feldherr seine Soldaten nicht mindestens cunni oder mentulae nennt, dann halten sie ihn für eine hochnäsige vestalische Jungfrau.«
    »Ich schließe Augen und Ohren«, sagte Cicero und wechselte das Thema. »Danke für deine Hilfe.«
    »Nichts zu danken, Marcus Tullius! Zusammen geben wir ein anständiges Paar ab, denke ich. Du hilfst mir, Berichte und Briefe zu schreiben, und ich helfe dir bei Schwert und Schild.«
    »Abgemacht.« Cicero rührte sich nicht von der Stelle, obwohl Pompeius sich schon

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