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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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legte mit der rechten Hand die linke im Schoß zurecht. Er schien weniger erschöpft, als Cinna erwartet hatte, und beherrschte seinen Körper besser, als man nach den — veralteten — Nachrichten aus Rom wußte. Marius war noch immer ein imposanter Mann. Und hoffentlich kein gefährlicher Gegner, dachte Cinna.
    »Eine tragische Angelegenheit, Gaius Marius.«
    Die weit aufgerissenen Augen wanderten im Zelt umher, prüfend, ob jemand in der Nähe war. Als sie niemanden gefunden hatten, richteten sie sich auf Cinna.
    »Sind wir allein, Lucius Cinna?«
    »Vollkommen.«
    »Gut.« Marius machte es sich bequemer in seinem Stuhl. »Ich habe es aus zweiter Hand erfahren. Quintus Lutatius wollte mich sprechen, aber er hat mich zu Hause nicht angetroffen. Er hat meiner Frau von der Sache berichtet, und sie hat es an mich weitergegeben. Soweit ich im Bilde bin, beschuldigt man meinen Sohn, er habe den Konsul Lucius Cato bei einer Schlacht ermordet. Es soll einen oder mehrere Zeugen geben. Ist das richtig?«
    »Ich fürchte ja.«
    »Wie viele Zeugen gibt es?«
    »Nur den einen.«
    »Und wer ist es. Ein aufrichtiger Mann?«
    »Über jeden Tadel erhaben, Gaius Marius. Ein Kadett namens Publius Claudius Pulcher«, erwiderte Cinna.
    Marius grunzte. »Ach! Die Familie! Sie ist bekannt für ihre Mißgunst und den schwierigen Umgang. Und alle Mitglieder der Familie sind arm wie apulische Schafhirten. Wie kommst du dazu, felsenfest zu behaupten, der Zeuge sei über jeden Tadel erhaben?«
    »Weil gerade dieser Claudius kein typischer Vertreter seiner Familie ist«, sagte Cinna, der Marius keine falschen Hoffnungen machen wollte. »Er hatte im Kadettenzelt und im damaligen Stab des Lucius Cato einen erstklassigen Ruf. Wenn du ihn kennenlernst, wirst du das verstehen. Er ist den anderen Kadetten gegenüber durch und durch loyal — er ist der älteste —, und er ist deinem Sohn ehrlich zugetan. Er hat sogar Verständnis für seine Tat, muß ich dazusagen. Lucius Cato war in seinem Stab bei keinem beliebt, und schon gar nicht bei den Soldaten.«
    »Trotzdem hat Publius Claudius meinen Sohn belastet.«
    »Er empfand es als seine Pflicht.«
    »Aha! Ein heuchlerischer Tugendwächter.«
    Cinna bestritt den Vorwurf. »Nein, Gaius Marius, das ist er nicht! Denk doch bitte einen Augenblick als Befehlshaber, nicht als Vater! Der junge Pulcher ist ein edler Römer, pflichtbewußt und mit Familienstolz. Er hat seine Pflicht getan, und das sehr ungern. Das ist die reine Wahrheit.«
    Als Marius mühsam versuchte, sich aus dem Stuhl zu erheben, wurde deutlich, wie erschöpft er war. Er stand inzwischen gewöhnlich alleine auf, aber diesmal brauchte er Caesars Hilfe. Der ungehobelte Lucius Decumius eilte an Marius’ rechte Seite und räusperte sich. Er blickte Cinna vielsagend an, als habe er etwas Wichtiges mitzuteilen.
    »Willst du etwas sagen?« fragte Cinna.
    »Lucius Cinna, ich bitte dich ergebenst um Verzeihung, aber muß die Verhandlung gegen den jungen Gaius Marius denn morgen stattfinden?«
    Cinna blinzelte überrascht. »Nein. Sie kann auch einen Tag später stattfinden.«
    »Wenn es dir nichts ausmacht, dann laß sie einen Tag später stattfinden. Wenn Gaius Marius morgen aufsteht — und er steht nicht früh auf —, muß er sich körperlich betätigen. Er hat zu lange in dem engen Pferdegespann gesessen.« Decumius sprach langsam und bemühte sich um eine korrekte Grammatik. »Augenblicklich macht er Reitübungen, dreimal am Tag. Und morgen muß er wieder reiten. Auch braucht er Gelegenheit, sich den Kadetten Publius Claudius selbst näher anzusehen. Man wirft dem jungen Gaius Marius ein besonders schweres Verbrechen vor. Da muß sich ein so wichtiger Mann wie Gaius Marius doch selbst ein Bild machen können, nicht? Allerdings wäre es eine gute Idee, wenn Gaius Marius den Kadetten Publius Claudius auf in... informellere Weise kennenlernen könnte als in diesem Zelt. Keiner von uns will die Dinge schlimmmer machen als nötig. Ich würde vorschlagen, daß du für morgen nachmittag einen Ausritt organisierst und alle Kadetten dazu einlädst. Auch diesen Publius Claudius.«
    Cinna runzelte die Stirn. Er hatte den Verdacht, daß man ihn zu etwas überreden wollte, das er später würde bereuen müssen. Aber der Knabe, der links von Gaius Marius stand, lächelte Cinna einnehmend an und zwinkerte ihm zu.
    »Bitte entschuldige Lucius Decumius«, sagte Caesar. »Er ist der ergebenste Klient meines Onkels. Und er ist ein Tyrann! Man hält ihn nur

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