MoR 02 - Eine Krone aus Gras
bei Laune, wenn man ihm seinen Willen läßt.«
»Ich kann nicht erlauben, daß Gaius Marius vor dem Verfahren privat mit Publius Claudius spricht.« Cinna klang nicht sehr überzeugend.
Nun schien Marius, der den Wortwechsel mit empörter Miene mitangehört hatte, sich über Lucius Decumius und den jungen Caesar so sehr zu ärgern, daß Cinna schon fürchtete, er werde einen weiteren Schlaganfall erleiden.
»Was soll der Blödsinn?« brüllte Marius. »Ich muß diesen Ausbund jugendlicher Pflichterfüllung, diesen Publius Claudius, ganz und gar nicht kennenlernen! Ich will nur meinen Sohn sehen und an der Verhandlung teilnehmen!«
»Aber, aber, Gaius Marius, reg dich nicht auf«, sagte Lucius Decumius mit schmeichelnder Stimme. »Nach dem netten Ausritt morgen nachmittag wirst du der Verhandlung um so besser folgen können.«
»Ach, haltet mir diese hätschelnden Idioten vom Leib!« schrie Marius und stampfte ohne Hilfe aus dem Zelt. »Wo ist mein Sohn?« Caesar blieb zögernd stehen, während Lucius Decumius dem wütenden Marius nachlief.
»Denk dir nichts dabei, Lucius Cinna«, sagte Caesar und lächelte wieder unwiderstehlich. »Sie zanken immer, aber Lucius Decumius hat recht. Gaius Marius muß sich morgen ausruhen und seine Reitübungen machen. Für ihn ist das alles sehr anstrengend. Vor allem machen wir uns Sorgen, daß es seinen Genesungsprozeß ernsthaft beeinträchtigen könnte.«
»Ja, das verstehe ich«, sagte Cinna und klopfte dem Knaben väterlich auf die Schulter. Er konnte ihm nicht über den Kopf streichen, dazu war der Knabe zu groß. »Ich sorge jetzt wohl besser dafür, daß Gaius Marius seinen Sohn sieht.« Er nahm eine lodernde Fackel aus der Halterung und schritt hinaus, auf Marius’ undeutliche Gestalt zu. »Dein Sohn ist hier, Gaius Marius. Damit nach außen hin alles seine Richtigkeit hat, habe ich ihn bis zur Verhandlung in einem eigenen Zelt untergebracht. Er wird bewacht, und jeder Kontakt ist ihm untersagt.«
»Du weißt natürlich, daß deine Verhandlung nicht endgültig ist«, sagte Marius, während sie durch zwei Zeltreihen hindurchschritten. »Wenn sie für meinen Sohn ungünstig ausgeht, bestehe ich auf eine Verhandlung durch seine Standesgenossen in Rom.«
»Natürlich«, sagte Cinna ruhig.
Als sie sich gegenüberstanden, sah der junge Marius den Vater etwas verstört an, aber er schien sich in der Gewalt zu haben — bis Gaius Marius Lucius Decumius und den jungen Caesar hereinbat.
»Was bringst du diese traurigen Gestalten mit her?« fragte er.
»Weil ich diese Reise nicht alleine machen konnte.« Marius schickte Cinna mit einer kurzen Bewegung des Kopfes hinaus und ließ sich auf den einzigen Stuhl im Zelt helfen. »So, mein Sohn, nun hast du dich im Jähzorn schließlich vergessen.« Marius klang weder sonderlich mitfühlend noch interessiert an dem, was sein Sohn vorzubringen hatte.
Der junge Marius starrte ihn völlig verwirrt an und wartete gleichsam auf ein verborgenes Zeichen des Vaters. Dann stieß er einen schluchzenden Seufzer: »Ich war es nicht!«
»Gut«, sagte Marius freundlich. »Bleib tapfer dabei, Marius, dann wird alles gut.«
»Meinst du, Vater? Wie denn? Publius Claudius beschwört, daß ich es getan habe.«
Marius stand abrupt auf, er wirkte bitter enttäuscht. »Wenn du weiter deine Unschuld beteuerst, mein Sohn, dann verspreche ich dir, daß dir nichts geschieht. Gar nichts.«
Auf dem Gesicht des jungen Marius zeichnete sich Erleichterung ab, ihm war, als erkenne er das Zeichen. »Du bringst es in Ordnung, nicht wahr?«
»Ich kann vieles in Ordnung bringen, mein Sohn, aber auf die offizielle Verhandlung eines Militärgerichtes, die von einem ehrenhaften Mann geführt wird, habe ich keinen Einfluß«, sagte Marius müde. »Das kann ich erst, wenn eine Verhandlung in Rom stattfindet. Jetzt folge meinem Beispiel und leg dich schlafen. Wir sehen uns morgen am Spätnachmittag wieder.«
»Erst dann? Ist die Verhandlung nicht morgen?«
»Erst dann. Die Verhandlung ist um einen Tag verschoben, damit ich meine Reitübungen machen kann. Sonst werde ich nicht in der Lage sein, das siebte Mal für das Konsulat zu kandidieren.« Marius wandte sich im Zelteingang noch einmal um und lächelte den Sohn spöttisch an. »Ich soll reiten, meinen diese traurigen Gestalten. Und ich lerne deinen Ankläger kennen. Aber ich werde ihn nicht überreden, anders auszusagen, mein Sohn. Jeder private Umgang mit ihm ist mir verboten.« Er atmete tief durch. »Ich,
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