MoR 02 - Eine Krone aus Gras
mich noch in den Schatten.«
»Ach, dieses Unglück!« seufzte Cinna.
»Kein gutes Omen für einen Mann, der eben erst ins Zelt des Oberbefehlshabers eingezogen ist«, sagte Marius leutselig.
»Ich werde meine Sache besser machen als Lucius Cato!«
Marius grinste. »Man kann es auch kaum schlechter machen. Aber ich glaube aufrichtig, daß du deine Sache sehr gut machen wirst, Lucius Cinna. Und ich bin dir dankbar, daß du die Klage fallenläßt. Sehr dankbar!«
Lucius Cinna war, als höre er das Geklimper von Münzen, die zu Boden fielen. Oder hörte er nur das Rauschen des Aniene, in dem der seltsame Knabe jetzt angelte, als wäre nichts geschehen?
»Was ist die erste Pflicht eines Menschen, Gaius Marius?« fragte Cinna überraschend.
»Die erste Pflicht, Lucius Cinna, ist die Familie.«
»Nicht Rom?«
»Was ist Rom, wenn nicht seine großen Familien?«
»Ja... ja, wahrscheinlich hast du recht. Und diejenigen von uns, die in eine machtvolle Familie hineingeboren sind — oder die sich angestrengt haben, damit ihre Kinder in sie hineingeboren werden können —, müssen darum kämpfen, daß ihre Familien am Ruder bleiben.«
»Genau das«, sagte Gaius Marius.
VII. Kapitel
Sobald Lucius Cornelius Sulla seinen unheimlichen Zauber, wie der junge Caesar es genannt hatte, bei Konsul Cato eingesetzt und ihn zum Kampf gegen die Marser geschickt hatte, machte er sich daran, alle römischen Gebiete von den Italikern zurückzuerobern. Zwar stand er offiziell noch immer im Rang eines Legaten, aber praktisch war er jetzt Oberbefehlshaber auf dem südlichen Kriegsschauplatz, und er wußte, daß der Senat und die Konsuln sich nicht einmischen würden — vorausgesetzt, er konnte Erfolge vorweisen. Italia war müde, und einer der beiden Anführer der Italiker, der Marser Silo, hätte vielleicht sogar erwogen, sich zu ergeben, wäre da nicht noch der andere gewesen. Gaius Papius Mutilus von den Samniten würde niemals aufgeben, das wußte Sulla, deshalb mußte man ihm beweisen, daß er auf verlorenem Posten kämpfte.
Sullas erster Schritt war streng geheim und höchst außergewöhnlich, aber er wußte den rechten Mann für eine Aufgabe, die er selbst nicht in die Hand nehmen konnte. Wenn der Plan glückte, war das für die Samniten und ihre Bundesgenossen im Süden der Anfang vom Ende. Ohne Catulus Caesar in Capua zu sagen, warum er die beiden besten Legionen vom Dienst in der Campania abzog, brachte Sulla sie eines Nachts an Bord einer Flotte von Transportschiffen, die im Hafen von Puteoli vor Anker lagen.
Den Befehl führte Sullas Legat Gaius Cosconius, er hatte genaue Anweisungen. Er sollte mit den beiden Legionen ganz um den Fuß der Halbinsel herumfahren und an der Ostküste irgendwo in der Nähe von Apenestae in Apulia landen. Das erste Drittel der Reise entlang der Westküste konnte man ruhig in Sichtweite der Küste zurücklegen, denn jeder Beobachter in Lucania würde annehmen, die Flotte sei nach Sizilien unterwegs, wo es dem Vernehmen nach Aufstände gab. Während des mittleren Drittels konnte die Flotte sich nahe an der Küste halten und in Orten wie Croton, Tarentum und Brundisium anlegen, um Proviant an Bord zu nehmen. Dort sollten sie das Gerücht verbreiten, sie seien unterwegs, um Unruhen in Asia Minor niederzuschlagen. Diese Lüge war auch den Soldaten selbst aufgetischt worden. Und wenn die Flotte Brundisium verließ, um das letzte, kürzeste Drittel der Strecke zurückzulegen, mußte ganz Brundisium überzeugt sein, die Truppen wollten über die Adria nach Apollonia im Westen von Macedonia.
»Nach Brundisium«, schärfte Sulla Cosconius ein, »hältst du dich so weit draußen, daß du vom Land nicht gesehen wirst, bis du deinen Zielort erreicht hast. Die Entscheidung, wo genau du an Land gehen willst, überlasse ich dir. Suche einfach eine ruhige Stelle aus und schlage erst los, wenn du wirklich bereit bist. Deine Aufgabe ist es, die Via Minucia südlich von Larinum und die Via Appia südlich von Ausculum Apulium freizukämpfen. Dann konzentrierst du dich auf das östliche Samnium. Bis du soweit bist, bin ich auf dem Weg nach Osten und komme dir entgegen.«
Cosconius war aufgeregt, weil Sulla ihn für diese wichtige Mission ausgewählt hatte, und zuversichtlich, daß er und seine Männer das Zeug hatten, sie siegreich zu Ende zu führen. Dennoch verbarg er seine Hochstimmung und hörte mit ernstem Gesicht zu.
»Merke dir, Gaius Cosconius, daß du dir bei der Seereise viel Zeit lassen sollst«,
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