Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
tauchten nun am Horizont auf und hielten direkt auf die zusammengestückelte pontische Flotte zu. Die Rhodier benutzten für ihre Seekriege keine schweren »Sechzehner«. Solche Schiffe konnten zwar viele Soldaten und Geschütze aufnehmen, aber die Rhodier hielten nichts vom Artillerieeinsatz auf See und bewegten sich mit ihren leichten Schiffen so schnell hin und her, daß dem Gegner keine Gelegenheit zum Entern geboten wurde. Die rhodische Flotte verdankte ihren Ruf der Schnelligkeit und extremen Wendigkeit ihrer Schiffe. Die Seeleute von Rhodos verstanden es, ein gegnerisches Schiff so geschickt zu rammen, daß die Geschwindigkeit den Mangel an Masse ausglich. Und die bronzeverstärkte Eichenspitze einer rhodischen Trireme konnte auch einen schweren »Sechzehner« durchbohren. Und feindliche Schiffe mußten gerammt werden, nur so ließ sich nach Auffassung der Rhodier ein Seekrieg gewinnen.
    Als die pontischen Soldaten die rhodische Flotte auf sich zukommen sahen, machten sie sich auf eine gewaltige Schlacht gefaßt, doch die Rhodier schienen nur die Leistungsfähigkeit ihrer Schiffe zu testen. Kaum hatten sie die pontischen Kriegsschiffe durch einige schnelle Manöver durcheinandergebracht, drehten sie bei und zogen sich zurück. Lediglich zwei schwerfälligen Fünfreihern wurden die Seiten aufgeschlitzt. Bevor die Rhodier den Schauplatz verließen, jagten sie allerdings König Mithridates den Schrecken seines Lebens ein. Mithridates nahm zum ersten Mal an einer Seeschlacht teil. Seine ganzen Erfahrungen auf See beschränkten sich auf das Schwarze Meer, wo selbst der unerschrockenste Pirat nie gewagt hätte, ein Schiff der pontischen Marine anzugreifen.
    In gespannter Erregung saß der König auf seinem goldroten Thron und versuchte, mit seinen Augen überall gleichzeitig zu sein. Es fiel ihm nicht ein, daß er selbst in Gefahr schweben könnte. Er hatte sich weit nach links gebeugt, um die kunstvollen Manöver eines meisterhaft geführten rhodischen Kriegsschiffs zu verfolgen, das sich in einiger Entfernung vom Heck seines eigenen, großen Schiffes bewegte. Dann begann sein Schiff mit einem Mal zu schlingern und zu ächzen, und ein ruckartiges Zittern erschütterte den Rumpf. Gleichzeitig mischten sich verzweifelte Hilferufe mit dem Geräusch zersplitternder, wie Zweige abknik- kender Ruder.
    Eine plötzliche, überwältigende Panik erfaßte den König. Sie dauerte zwar nur einen Augenblick, hatte aber fatale Folgen, denn in dieser kurzen, entsetzlichen Schrecksekunde machte der König in die Hosen. Überallhin ergoß sich sein Kot, vermischt mit schier unglaublichen Flüssigkeitsmengen, die aus seinen Eingeweiden strömten. Eine stinkende, braune Soße floß über das goldverzierte Purpurkissen, tropfte an den Beinen des Throns herab, rann an seinen eigenen Beinen hinunter in die goldenen Löwenmähnen, die seine Schuhlaschen zierten, und lief über das Deck unter seinen Füßen. Mithridates sprang auf, aber wo hätte er sich verstecken sollen? Er konnte die Blamage nicht vor den verwunderten Blicken seiner Offiziere und Matrosen mittschiffs verbergen, die aus Sorge um ihren König instinktiv zu ihm heraufgeschaut hatten.
    Und dann mußte er auch noch feststellen, daß sein Schiff überhaupt nicht gerammt worden war. Eines seiner eigenen Schiffe, ein großer, schwerfälliger »Sechzehner« von der Insel Chios hatte mit der Breitseite sein Schiff gestreift, so daß bei beiden Schiffen sämtliche Ruder einer Seite abrasiert worden waren.
    Las er Verwunderung in den Augen seiner Männer? Oder gar Spott? Wütend und mit hervorquellenden Augäpfeln sah der König von einem Gesicht zum anderen, und er sah, wie seine Männer erröteten und dann plötzlich bleich wurden wie geleerte Weinkelche.
    »Ich bin krank!« schrie er. »Es geht mir nicht gut, ich bin krank! So helft mir doch, ihr Idioten!«
    Leben kam in die Männer. Von allen Seiten eilten sie herbei, wie aus dem Nichts tauchten plötzlich Kleider auf, und zwei besonders geistesgegenwärtige Matrosen beschafften Eimer und schütteten Seewasser über den König. Als das kalte Naß aus den Kübeln über seine Beine floß, besann sich der König einer besseren Methode, mit dieser furchtbaren Situation umzugehen. Er warf den Kopf zurück und brach in brüllendes Gelächter aus.
    »Na los, ihr Dummköpfe, macht mich sauber!«
    Der König hob seinen goldenen Faltenrock, das goldene Kettenhemd darunter und die Tunika unter dem Kettenhemd und zeigte seine kräftigen

Weitere Kostenlose Bücher