MoR 02 - Eine Krone aus Gras
im Westen der Provinz Macedonia an Land gegangen, konnte jedoch erst dann fest planen, wenn er mehr über die Lage in Kleinasien und Griechenland wußte. Macedonia war günstig, weil dort die reichsten Tempel Griechenlands standen.
Ende September konnte Sulla endlich Rom verlassen und zu seinen Legionen in Capua stoßen. Er hatte den ihm treu ergebenen Militärtribun Lucius Licinius Lucullus gefragt, ob er bereit sei, als Quästor zu kandidieren, wenn Sulla ihn anforderte. Hocherfreut deutete Lucullus sein Einverständnis an, woraufhin Sulla ihn schon einmal als Stellvertreter nach Capua vorausschickte, bis er selbst kommen konnte. Den ganzen September lang war Sulla damit beschäftigt, die staatlichen Grundstücke zu verkaufen und die sechs Soldatenkolonien einzurichten. Fast schien es, als würde er gar nicht mehr loskommen. Daß er es schaffte, verdankte er dem eisernen Willen und unbarmherzigen Drängen seiner Verbündeten im Senat, die von ihm hingerissen waren. Irgendwie hatten sie immer übersehen, welche Führungsqualitäten in Sulla steckten.
»Er stand im Schatten von Marius und Scaurus«, sagte Antonius Orator.
»Nein, er war einfach nicht so bekannt«, meinte Lucius Caesar.
»Und an wem lag das wohl?« spottete Catulus Caesar.
»Hauptsächlich an Gaius Marius, vermute ich«, sagte sein Bruder.
»Er weiß auf jeden Fall, was er will«, sagte Antonius Orator.
»Das bestimmt.« Scaevola erschauderte. »Ich möchte mit ihm nicht aneinandergeraten!«
Publius Sulpicius war überzeugt, daß Sulla so schnell wie möglich mit seinen Truppen über die Adria setzen würde, bevor die ungünstigen Winterwinde einsetzten. Deshalb holte er Mitte Oktober zu seinem ersten Schlag gegen die bestehende Ordnung aus. Praktische Vorbereitungen traf er wenige, alles spielte sich in seinem Kopf ab. Wer die Demagogen nicht liebt, will nicht selbst ein Demagoge sein. Er hatte jedoch Gaius Marius um ein Gespräch gebeten, in dem er ihn um Unterstützung bat. Gaius Marius mochte den Senat auch nicht! Und Sulpicius wurde nicht enttäuscht. Marius hörte sich seine Vorschläge an und nickte dann.
»Du kannst mit meiner vollen Unterstützung rechnen, Publius Sulpicius«, sagte er. Einen Moment lang schwieg er, dann fügte er hinzu, als sei es ihm nachträglich eingefallen: »Ich bitte dich allerdings um einen Gefallen — daß du mich per Gesetz ermächtigst, den Krieg gegen Mithridates zu führen.«
Dieser Preis erschien Sulpicius angemessen. Er lächelte: »Einverstanden, Gaius Marius. Du sollst dein Kommando haben.«
Sulpicius berief die Versammlung der Plebs ein und stellte getrennt zwei Gesetzentwürfe vor. Nach dem einen sollte jeder Senator, der mit über achttausend Sesterzen verschuldet war, vom Senat ausgeschlossen werden; der zweite Entwurf forderte die Rückkehr all jener Männer, die vom Untersuchungsausschuß unter Varius verbannt worden waren. Varius hatte damals jeden verfolgt, von dem er glaubte, er unterstütze die Verleihung der Bürgerschaftsrechte an Italiker.
Mit silberner Zunge und goldener Stimme fand Sulpicius genau den richtigen Ton. »Was bilden die Senatoren sich eigentlich ein, wenn sie im Senat sitzen und Entscheidungen treffen, wo sie doch fast alle arme Männer und hoffnungslos verschuldet sind?« rief er. »Für euch alle, die ihr Schulden habt, gibt es keine Gnade — ihr könnt euch nicht hinter der Senatorenwürde verstecken, ihr könnt eure Last nicht erleichtern, indem ihr euch Geldverleiher sucht, für die es politisch unklug wäre, euch zu sehr unter Druck zu setzen! Aber dort in der Curia Hostilia können sie solche Lappalien wie Schulden übergehen, bis bessere Zeiten kommen! Ich weiß das, weil ich selbst Senator bin — ich höre, was sie zueinander sagen, und ich sehe, wie sie den Geldverleihern hie und da einen Gefallen tun! Es gibt sogar Senatoren, die selber Geld verleihen! Nun, das wird alles ein Ende haben! Keiner, der Schulden hat, soll im Senat sitzen dürfen! Niemand soll diesem exklusiven, eingebildeten Gremium angehören dürfen, wenn er nicht besser ist als alle anderen Römer!«
Schockiert vernahm der Senat, daß Sulpicius wie ein Demagoge gegen ihn hetzte. Sulpicius! Ein so konservativer und ehrenwerter Mann! Noch Ende letzten Jahres hatte er gegen die Rückkehr der von Varius Verbannten gestimmt! Und jetzt rief er sie zurück! Was war geschehen?
Zwei Tage später berief Sulpicius noch einmal die Versammlung der Plebs ein und las einen dritten Gesetzentwurf vor.
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