MoR 02 - Eine Krone aus Gras
die alle mit Knüppeln und kleinen Holzschilden bewaffnet waren. Diesen harten Kern wiederum umgab schützend eine große Menge von Männern, die aus der fünften Klasse und dem Proletariat zu stammen schienen — ehemalige Gladiatoren und Mitglieder der Kreuzwegevereine. Sulpicius’ »Leibwache« war so groß, daß die kleine Truppe des jungen Quintus Pompeius Rufus daneben winzig und machtlos wirkte.
»Die Herrschaft«, schrie Sulpicius über den Versammlungsplatz auf dem Forum, den allein seine Leibwache schon zur Hälfte füllte, »gehört dem Volk! Leere Worte! Das hört sich immer dann gut an, wenn die Senatoren und Ritter Stimmen brauchen. Aber der Satz bedeutet überhaupt nichts! Er ist verlogen, eine Farce! Welche Rechte habt ihr denn tatsächlich, wo könnt ihr mitbestimmen? Ihr seid ganz und gar abhängig von den Volkstribunen, die die Versammlungen einberufen. Nicht ihr formuliert Gesetze und verkündet sie vor dieser Versammlung — ihr dürft hier nur über Gesetze abstimmen, die die Volkstribunen sich ausdenken! Und wem sind fast alle Volkstribunen hörig? Natürlich dem Senat und den Rittern! Und was geschieht mit den Volkstribunen, die sich als Diener des Volkes verstehen? Ich sage es euch: Man sperrt sie in die Curia Hostilia und steinigt sie dort vom Dach aus mit Ziegeln!«
Sulla zuckte die Achseln. »Nun, das ist eine Kriegserklärung, oder? Er macht einen Helden aus Saturninus.«
»Und vor allem aus sich selbst«, sagte Catulus Caesar.
»Ruhe!« fuhr der Jupiterpriester Merula sie scharf an.
»Es ist an der Zeit«, sagte Sulpicius gerade, »daß Senat und Ritter ein für allemal merken, wer die Herren Roms sind! Darum stehe ich hier vor euch — als Kämpfer für eure Rechte — als euer Beschützer — als euer Diener! Drei furchtbare Jahre liegen hinter euch, Jahre, in denen ihr die Hauptlast der Steuern und Entbehrungen tragen mußtet. Hauptsächlich mit eurem Geld hat Rom den Bürgerkrieg finanziert. Aber hat euch auch nur ein Senator gefragt, ob ihr überhaupt einen Krieg gegen eure Brüder, die italischen Bundesgenossen, führen wollt?«
»Natürlich haben wir gefragt!« sagte der Pontifex Maximus Scaevola grimmig. »Das Volk wollte den Krieg mehr als der Senat! «
»Daran werden sie sich jetzt nicht erinnern«, sagte Sulla.
»Nein, euch hat niemand gefragt!« brüllte Sulpicius. »Die Senatoren wollten ihr Bürgerrecht nicht mit euren Brüdern, den Italikern teilen. Euer Bürgerrecht ist ohnehin bedeutungslos. Denn sie regieren Rom! Sie konnten nicht Tausende neuer Mitglieder in ihre exklusiven kleinen Tribus auf dem Land aufnehmen — sonst hätten ihre bisherigen Untertanen zu viel Macht bekommen! Als die Italiker das Wahlrecht schließlich bekamen, verteilte man die neuen Bürger — ganz nach Wunsch der Herren Senatoren! — auf so wenige Tribus, daß die Italiker den Ausgang von Wahlen nicht beeinflußen konnten. Aber das hört auf, Volk, sobald ihr mein Gesetz beschlossen habt, nach dem die neuen Bürger und die Freigelassenen von Rom auf alle fünfunddreißig Tribus verteilt werden müssen!«
Der Sturm der Begeisterung, der jetzt losbrach, war so laut, daß Sulpicius innehalten mußte. Aufrecht stand er vor ihnen und lächelte breit, ein attraktiver Mann Mitte dreißig, der trotz seiner plebejischen Herkunft aussah wie ein Patrizier — feine Gesichtszüge und eine helle Haut.
»Senat und Ritter haben euch noch auf andere Weise betrogen«, fuhr Sulpicius fort, als sich der Beifall legte. »Sie beanspruchen das Recht — und es ist kein gesetzlich festgelegtes Recht —, selbst alle Feldherren zu ernennen und alle Kriege zu führen. Dieses Recht muß dem Senat und den heimlichen Herren des Senats aus dem Ritterstand endlich entzogen werden. Es ist an der Zeit, daß ihr — das Rückgrat und Fundament des wahren Römer- tums! — die Rechte bekommt, die ihr dem Gesetz nach habt. Dazu gehört auch das Recht, darüber zu beschließen, ob Rom Krieg führen soll oder nicht — und im Fall eines Krieges zu beschließen, wer Feldherr sein soll.«
»Jetzt kommt es«, sagte Catulus Caesar.
Sulpicius drehte sich um und zeigte mit dem Finger auf Sulla, der ganz vorn in der sich auf den oberen Senatstreppen drängenden Menge stand, wo er aufgrund seines Aussehens leicht zu erkennen war. »Dort steht der Konsul! Von seinen Kollegen gewählt, nicht von euch! Wie lange ist es her, daß wenigstens die dritte Klasse bei Konsulatswahlen abgestimmt hat?«
Sulpicius bemerkte, daß er den
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