MoR 02 - Eine Krone aus Gras
du übernimmst den Vorsitz. Kein Senator wird es wagen, dir seine finanzielle Lage zu verheimlichen.«
Der Jupiterpriester Merula kicherte und schlug sich schuldbewußt die Hand vor den Mund. »Verzeiht meine Fröhlichkeit«, sagte er mit zuckenden Lippen. »Mir fiel nur gerade ein, daß wir Lucius Marcius Philippus nicht helfen sollten! Seine Schulden allein werden höher sein als die aller anderen Senatoren zusammen, außerdem wäre der Senat ihn für immer los. Er ist schließlich nur einer. Bleibt er draußen, ändert sich nichts, außer daß es im Senat ruhiger und friedlicher zugeht.«
»Mir gefällt diese Idee sehr gut.« Sulla lächelte.
»Das Schlimme an dir ist deine Leichtfertigkeit in politischen Fragen, Lucius Cornelius«, sagte Catulus Caesar schockiert. »Es ist gleichgültig, was wir von Lucius Marcius halten — Tatsache ist, daß er aus einer alten und berühmten Familie kommt. Er muß im Senat bleiben. Sein Sohn ist ein ganz anderer Mensch.«
»Da hast du recht«, seufzte Merula.
»Also gut, dann sind wir uns einig.« Sulla lächelte unmerklich. »Was das übrige angeht, müssen wir den Verlauf der Ereignisse abwarten. Nur sollten wir meiner Meinung nach die Zeit der Feiertage jetzt beenden. Nach den religiösen Vorschriften sind Sulpicius’ Gesetze eindeutig ungültig. Und mir scheint es nur von Vorteil, wenn wir Marius und Sulpicius in dem Glauben lassen, daß sie gewonnen hätten, daß wir machtlos seien.«
»Wir sind machtlos«, sagte Antonius Orator.
»Davon bin ich nicht überzeugt.« Sulla wandte sich an seinen Mitkonsul, der bisher geschwiegen hatte und bedrückt aussah. »Quintus Pompeius, jeder wird verstehen, wenn du Rom für eine Weile verläßt. Ich schlage vor, daß du mit deiner ganzen Familie ans Meer fährst. Mach kein Geheimnis aus deiner Abreise.«
»Und was ist mit uns?« fragte Merula ängstlich.
»Ihr seid nicht in Gefahr. Wenn Sulpicius den Senat durch die Ermordung der Senatoren ausschalten wollte, hätte er das gestern schon tun können. Zu unserem Glück bevorzugt er den Weg über die Gesetze. Ist unser Stadtprätor eigentlich schuldenfrei? Aber vermutlich ist das unwichtig. Der Inhaber eines kurulischen Amtes kann wohl kaum entlassen werden, selbst wenn er vom Senat ausgeschlossen wurde.«
»Marcus Junius hat keine Schulden«, sagte Merula.
»Gut, dann bleibt er auf jeden Fall im Amt. Er wird Rom während der Abwesenheit der Konsuln regieren müssen.«
»Beider Konsuln? Du willst Rom doch nicht auch verlassen, Lucius Cornelius?« Catulus Caesar sah Sulla entgeistert an.
»In Capua warten fünf Legionen Fußsoldaten und zweitausend Reiter auf ihren Feldherrn«, sagte Sulla. »Nach meiner überstürzten Abreise werden die Gerüchte jetzt zum Himmel wachsen. Ich muß sie beruhigen.«
»Du bist wirklich ein leichtsinniger Politiker, Lucius Cornelius! In einer so ernsten Situation wie dieser muß der Konsul in Rom bleiben!«
»Warum?« Sulla zog die Augenbrauen hoch. »Rom wird im Augenblick nicht von den Konsuln regiert, Quintus Lutatius. Rom gehört Sulpicius. Und er soll sich im Glauben wiegen, daß er die Oberhand hat.«
Und von diesem Standpunkt war Sulla nicht mehr abzubringen. Die Versammlung endete bald darauf, und der Konsul reiste nach Campania ab.
Sulla ließ sich Zeit auf dieser Reise. Er ritt ohne Eskorte auf einem Maultier, trug einen Hut und hielt den Kopf gesenkt. Überall redeten die Leute von den Ereignissen in Rom. Die Nachricht von Sulpicius Tun und dem Ende des Senats hatte sich fast ebenso schnell verbreitet wie die Nachricht vom Massaker in der Provinz Asia. Die Via Latina, die Sulla als Reiseweg gewählt hatte, führte ihn durch Gebiete, die treu zu Rom standen, und so erfuhr er, daß viele Menschen Sulpicius für einen Handlanger der Bundesgenossen hielten, manche sogar für einen Handlanger des Mithridates, und daß niemand für die Abschaffung des Senats war. Zwar tauchte auch der magische Name Gaius Marius in den Gesprächen auf, aber auch wenn die Landbevölkerung von Haus aus konservativ war, zweifelte sie doch daran, daß Marius gesund genug sei, um eine Armee nach Kleinasien führen zu können. Sulla genoß die Gespräche in den verschiedenen Herbergen, in denen er übernachtete. Er blieb unerkannt, da er seine Liktoren in Capua gelassen hatte und wie ein gewöhnlicher Reisender gekleidet war.
Auf der Straße überließ er sich ganz dem Takt des Maultiertrotts, und er ließ seine Gedanken ziellos schweifen. Nur in einem Punkt
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