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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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dachte Sulla erleichtert. Meine Soldaten stehen also nach wie vor zu mir. Laut fragte er: »Irgendwelche Spuren von ihnen, Marcus Canuleius?«
    Der Zenturio schüttelte den Kopf, und der große, seitlich sitzende Federbusch aus leuchtend rotem Pferdehaar wehte wie ein Fächer um seinen Helm. »Nein, Lucius Cornelius. Publius Sulpicius wurde beim Überqueren des Tiber auf einem Boot gesehen, vielleicht will er zu einem Hafen in Etruria. Gaius Marius und sein Sohn fliehen angeblich in Richtung Ostia. Der Stadtprätor Marcus Junius Brutus ist ebenfalls geflohen.«
    »Diese Narren!« rief Lucullus überrascht. »Wenn sie wirklich überzeugt wären, daß das Recht auf ihrer Seite ist, hätten sie in Rom bleiben müssen. Nur eine Debatte mit dir auf dem Forum könnte ihre Lage verbessern, das müßten sie doch wissen!«
    »Du hast recht, Lucius Licinius.« Sulla war erfreut, daß sein Legat die Ereignisse so interpretierte. »Wahrscheinlich sind sie in Panik geflohen. Wenn Marius oder Sulpicius in Ruhe über ihr Vorgehen nachgedacht hätten, hätten sie sicher beide erkannt, daß es weiser ist, in Rom zu bleiben. Aber du weißt ja, daß ich immer Glück habe. Für mich ist es ein Glück, daß sie die Stadt verlassen haben.« Insgeheim dachte er: Wenn Marius und Sulpicius geblieben wären, hätte ich sie heimlich umbringen müssen, und die beiden wußten das. Das einzige, was er sich nicht leisten konnte, war ein Rededuell mit einem der beiden auf dem Forum. Denn sie waren die Volkshelden, nicht er. Dennoch war ihre Flucht für ihn eine zweischneidige Sache. Jetzt mußte er zwar nicht überlegen, wie er sie umbringen konnte, ohne vor der Öffentlichkeit schuldig zu werden — aber man würde ihn verabscheuen, weil er sie in die Verbannung schicken mußte.

    Die ganze Nacht hindurch hielten Soldaten auf den Straßen und Plätzen der Stadt Wache. In jedem erdenklichen Winkel brannte ein Lagerfeuer; die schweren Schritte genagelter Soldatenstiefel drangen dumpf in die Häuser, ein Geräusch, daß kein schlafloser Römer je vor seinem Fenster gehört hatte. Aber die Stadt schien zu schlafen und erwachte in der kühlen Dämmerung von den Rufen der Herolde: In Rom herrsche Friede, die Stadt stehe unter dem Schutz ihres rechtmäßig gewählten Konsuls und zur zweiten Stunde des Tages finde auf dem Comitium eine Versammlung mit den Konsuln statt.
    Die Versammlung war überraschend gut besucht, denn auch viele Anhänger des Marius und des Sulpicius aus der zweiten, dritten und vierten Klasse waren gekommen. Die erste Klasse erschien vollzählig, die besitzlosen Proletarier blieben ebenso wie die fünfte Klasse fern.
    »Zehn- bis fünfzehntausend«, schätzte Sulla, als er mit Lucullus und Pompeius Rufus auf dem Clivus Sacer von der Velia hinabstieg. Er trug wie Pompeius Rufus die purpurgesäumte Toga, während Lucullus die einfache weiße Toga und auf der rechten Schulter seiner Tunika den breiten Streifen der Senatoren trug. Nichts sollte auf die Macht der Waffen hindeuten, kein Soldat durfte gesehen werden. »Die Anwesenden müssen alles hören, was ich sage, sorgt also dafür, daß die Herolde gut verteilt sind und meine Worte für die, die ganz außen stehen, wiederholen können.«
    Die Konsuln bahnten sich hinter ihren Liktoren einen Weg durch die Menge und stiegen auf die Rostra, wo der Senatsvorsitzende Flaccus und der Pontifex Maximus Scaevola sie erwarteten. Für Sulla war diese Begegnung äußerst wichtig, denn er hatte bislang noch kein Mitglied des geschrumpften Senats gesprochen und wußte deshalb auch nicht, ob etwa Catulus Caesar, die Zensoren, der Jupiterpriester oder die beiden Männer auf der Rednerbühne jetzt, da mit dem Einmarsch der Armee die Gewalt über friedliche Mittel der Politik gesiegt hatte, noch auf seiner Seite standen.
    Flaccus und Scaevola waren nicht glücklich, das war ihnen anzusehen. Beide waren Marius verbunden: Scaevolas Tochter war mit dem jungen Marius verlobt, und Flaccus war nur dank Marius’ Unterstützung Konsul und Zensor geworden. Sulla konnte sich jetzt nicht ausführlich mit den beiden unterhalten, aber er mußte dennoch etwas zu ihnen sagen.
    »Steht ihr auf meiner Seite?« fragte er kurz.
    Scaevolas Stimme zitterte leicht, als er sagte: »Ja, Lucius Cornelius.«
    »Dann hört zu, was ich der Menge zu sagen habe. Ihr werdet eine Antwort auf all eure Fragen und Zweifel finden.« Er blickte hinüber zur Senatstreppe und zum Podium, wo Catulus Caesar, die Zensoren, Antonius Orator und

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