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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Länge der Rednerbühne ab und starrte in die Menge, als suche er jemanden. Das wiederholte er mehrere Male, dann zuckte er die Achseln und streckte in einer Geste der Ohnmacht die Arme empor.
    »Wo ist Publius Sulpicius?« fragte er scheinbar verblüfft. »Wen habe ich getötet, seit mein Heer in Rom steht? Ein paar Sklaven und Freigelassene, ein paar ehemalige Gladiatoren. Pöbel. Keine ehrbaren Römer. Warum spricht Publius Sulpicius dann nicht hier zu euch und widerlegt meine Worte? Ich fordere Publius Sulpicius auf, nach vorne zu treten und mich in einer anständigen, ehrenwerten Debatte zu widerlegen — nicht in der Curia Hostilia, sondern hier draußen vor dem Volk!« Er formte mit den Händen einen Trichter und brüllte: »Publius Sulpicius, Volkstribun, ich fordere dich auf, nach vorn zu treten und mir Antwort zu geben!« Aber nur das Schweigen der Menge antwortete ihm. »Er antwortet nicht, er ist nicht hier, Bürger von Rom, denn Publius Sulpicius ist geflohen, als ich — der rechtmäßig gewählte Konsul! — in Begleitung meiner einzigen Freunde, meiner Soldaten, in die Stadt kam, um für unser Recht einzutreten. Aber warum ist er davongelaufen? Hatte er Angst um sein Leben? Warum? Habe ich denn versucht, einen gewählten Beamten oder irgendeinen anderen ehrbaren Einwohner Roms zu töten? Stehe ich etwa in voller Rüstung und mit dem Schwert in der Hand vor euch? Nein! Ich stehe in der purpurgesäumten Toga meines hohen Amtes vor euch, ohne meine einzigen Freunde, meine Soldaten, die also nicht hören können, was ich euch sage. Sie brauchen auch gar nicht hier zu sein! Ich bin ihr und euer rechtmäßig gewählter Vertreter. Und doch ist Sulpicius nicht hier. Warum? Glaubt ihr wirklich, daß er um sein Leben fürchtet? Wenn es so ist, Bürger von Rom, dann nur, weil er weiß, daß sein Vorgehen gesetzwidrig und betrügerisch war. Ich würde ihm gern Gelegenheit zur Verteidigung geben und hoffe von ganzem Herzen, daß er heute hier ist!«
    Es war wieder Zeit für eine Pause, für einen Blick in die Menge, als hoffe Sulla, Sulpicius zu entdecken. Wieder formte er die Hände zu einem Trichter und brüllte: »Publius Sulpicius, Volkstribun, ich fordere dich auf, nach vorn zu treten und mir Antwort zu geben!«
    Nichts geschah.
    »Er ist weg, Bürger von Rom«, rief Sulla. »Er ist mit dem Mann geflohen, der ihn und euch betrogen hat — Gaius Marius!«
    Nun kam Bewegung in die Menge, und Murren wurde laut. Kein Römer mochte es, wenn schlecht über Marius geredet wurde.
    »Ja, ich weiß schon«, sagte Sulla langsam, damit seine Rede wortgetreu bis in die letzte Reihe weitergegeben werden konnte, »Gaius Marius ist unser aller Held. Er hat Rom gegen Jugurtha von Numidien verteidigt. Er hat Rom und die römische Welt gegen die Germanen verteidigt. Er ist nach Kappadokien gereist, ist König Mithridates unbewaffnet gegenübergetreten und hat ihm befohlen umzukehren — das habt ihr nicht gewußt, oder? Ich berichte euch gern von weiteren Heldentaten des Gaius Marius! Viele seiner größten Taten sind unbekannt. Ich weiß davon, weil ich auf den Feldzügen gegen Jugurtha und die Germanen sein getreuer Legat war, seine rechte Hand. Es ist das Schicksal der Gefährten der großen Männer, daß man sie nicht kennt und daß sie nicht berühmt werden. Und ich gönne Gaius Marius seinen ruhmvollen Namen aus vollem Herzen. Er hat ihn verdient! Aber auch ich war ein treuer Diener Roms. Auch ich war im Osten, auch ich trat König Mithridates unbewaffnet gegenüber und befahl ihm umzukehren. Und ich führte die erste römische Armee über den Euphrat in unbekanntes Land.«
    Er hielt inne und bemerkte erfreut, daß die Menge sich wieder beruhigte, daß es ihm zumindest gelungen war, die Menschen von seiner Aufrichtigkeit zu überzeugen.
    »Ich war nicht nur Gaius Marius’ rechte Hand, sondern auch sein Freund. Viele Jahre lang war ich sein Schwager — bis zum Tod meiner Frau, der Schwester seiner Frau. Ich habe mich nicht von ihr getrennt. Zwischen uns gab es keinen Streit. Sein Sohn und meine Tochter sind Vetter und Base ersten Grades. Als vor einigen Tagen Publius Sulpicius’ Spießgesellen viele junge, vielversprechende Männer aus gutem Hause ermordeten, darunter auch den Sohn meines Kollegen Quintus Pompeius — der junge Mann war mein Schwiegersohn und der Mann von Gaius Marius’ Nichte —, da mußte ich vom Forum fliehen, um mein Leben zu retten. Und wohin floh ich im Wissen, daß mein Leben dort unverletzlich

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