MoR 02 - Eine Krone aus Gras
verzweifelt gehofft, daß Sulla nicht auf seine Armee zurückgreifen würde, um dem Senat aus der Zwickmühle zu helfen. Und in den unteren Klassen eiterten noch zwei weitere Wunden in den Herzen der Männer: daß man einen Volkstribunen während seiner Amtszeit zum Tod verurteilt hatte und daß man den alten und verkrüppelten Gaius Marius aus Heim, Familie und Amt vertrieben und dann noch zum Tod verurteilt hatte.
Etwas von dieser gärenden Unzufriedenheit kam an die Oberfläche, als die kurulischen Ämter neu vergeben wurden. Zwar wurde Gnaeus Octavius Ruso zum Konsul gewählt, aber sein Amtskollege war Lucius Cornelius Cinna. Die Prätoren waren unabhängige Männer, und Sulla konnte auf keinen von ihnen wirklich zählen.
Die Wahl der Militärtribunen durch die Versammlung des ganzen Volkes bereitete Sulla freilich am meisten Sorgen. Zur Wahl standen nur Männer, die er verachtete, darunter Gaius Flavius Fimbria, Publius Annius und Gaius Marcius Censorinus. Diese Militärtribunen würden über die Leichen ihrer Feldherren gehen, dachte Sulla, sollte je ein Feldherr versuchen, mit ihnen nach Rom zu marschieren! Sie würden ihn ohne jegliche Gewissensbisse umbringen, so wie der junge Marius den Konsul Cato umgebracht hatte. Zum Glück ging seine Amtszeit als Konsul zu Ende, so daß er sie nicht in seinen Legionen hatte. Denn jeder einzelne von ihnen konnte ein Saturninus werden.
Trotz der Enttäuschung über den Wahlausgang war Sulla nicht am Boden zerstört, als das alte Jahr zu Ende ging. Immerhin wußte er jetzt von seinen Spitzeln Genaueres über die Lage in der Provinz Asia, in Bithynien und in Griechenland. Es war eindeutig die klügste Taktik, zuerst nach Griechenland zu gehen und sich später um Kleinasien zu kümmern. Er hatte nicht genug Soldaten für einen Angriff von zwei Flanken, deshalb mußte er Mithridates im direkten Angriff zum Rückzug aus Griechenland und Macedonia bringen. Der pontische Einmarsch in Macedonia war auch nicht ganz nach Plan verlaufen; Gaius Sentius und Quintus Bruttius Sura hatten einmal mehr bewiesen, daß Macht allein nicht unbedingt ausreichte, wenn der Feind Rom hieß. Sie hatten mit ihren kleinen Heeren großartige Taten vollbracht, aber sie konnten unmöglich noch lange durchhalten.
Deshalb drängte es Sulla immer stärker, mit seinen Truppen aus Italien abzufahren. Nur wenn er König Mithridates besiegte und den Osten plünderte, konnte er mit Gaius Marius’ beispiellosem Ruhm mithalten. Nur wenn er das Gold des Mithridates nach Hause brachte, konnte er die finanzielle Krise Roms abwenden. Nur wenn ihm all dies gelang, würde ihm Rom den Einmarsch in die Stadt verzeihen. Nur dann würde ihm das Volk vergeben, daß er die Volksversammlungen in Treffen verwandelt hatte, wo man sich am besten mit Würfelspielen und Däumchendrehen die Zeit vertrieb.
An seinem letzten Tag als Konsul rief Sulla den Senat zu einer außerordentlichen Versammlung zusammen und hielt eine eindringliche Rede, erfüllt vom Glauben an sich selbst und seine neuen Methoden.
»Ihr habt es mir zu verdanken, eingeschriebene Väter, daß es euch noch gibt. Ich sage das, weil es die Wahrheit ist. Stünden die Gesetze des Publius Sulpicius Rufus noch auf den Tafeln, würde die Plebs — nicht einmal das Volk! — ohne jede Kontrolle und ohne jedes Gegengewicht über Rom herrschen. Der Senat wäre lediglich ein weiteres kümmerliches Relikt aus alten Zeiten; die Zahl der Senatoren wäre so gering, daß der Senat nicht beschlußfähig wäre. Der Senat könnte weder Empfehlungen an Plebs oder Volk aussprechen, noch Entscheidungen in Angelegenheiten fällen, für die bei uns nur der Senat zuständig ist. Also, bevor ihr das Schicksal von Plebs und Volk bejammert und beklagt, bevor ihr vor Mitleid für Plebs und Volk zerfließt, was diese gar nicht verdienen, solltet ihr euch daran erinnern, was aus diesem hohe Haus ohne mich geworden wäre.«
»Richtig!« rief Catulus Caesar, dessen Sohn, einer der neuen, sehr jungen Senatoren, endlich vom Kriegsdienst heimgekehrt war und heute im Senat saß; Catulus wollte unbedingt, daß sein Sohn Sulla als Konsul reden hörte.
»Ich möchte auch daran erinnern«, fuhr Sulla fort, »daß ihr euch an meine Gesetze halten müßt, wenn ihr Rom weiterhin lenken und leiten wollt. Bevor ihr irgendwelche Umstürze plant, denkt an Rom! Rom braucht Frieden in Italien. Rom braucht euren vollen Einsatz, ihr müßt einen Weg aus den finanziellen Schwierigkeiten finden und Rom
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