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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Kandidat war der von der ersten Klasse sehr geschätzte Publius Servilius Vatia — ein plebejischer Servilius, aber aus einer vornehmen, alten Familie; außerdem hatte er eine beachtliche Anzahl an Kriegsauszeichnungen vorzuweisen, was für Wahlen immer günstig war.
    Ein anderer Kandidat bereitete Sulla dagegen große Sorgen, gerade weil er bei oberflächlicher Betrachtung der ersten Klasse als geeigneter Mann für das Amt des Konsuls erscheinen würde, als jemand, der die Privilegien und Vorrechte der Senatoren und Ritter verteidigen würde. Lucius Cornelius Cinna war Patrizier. Er stammte aus demselben Geschlecht wie Sulla, war mit einer Frau aus der Familie Annius verheiratet, hatte viele hervorragende Auszeichnungen im Krieg errungen und war als Redner und Anwalt gut bekannt. Aber Sulla wußte, daß sich Cinna irgendwie an Gaius Marius gebunden hatte — wahrscheinlich hatte Marius ihn gekauft. Wie so viele Senatoren hatte auch Cinna vor wenigen Monaten noch große Geldsorgen gehabt — doch als andere Senatoren wegen ihrer Schulden ausgeschlossen wurden, zeigte sich, daß Cinnas Geldbeutel prall gefüllt war. Jawohl, gekauft, dachte Sulla finster. Wie schlau von Gaius Marius! Natürlich hatte das mit dem jungen Marius und den Anschuldigungen zu tun, er habe den Konsul Cato umgebracht. Zu anderen Zeiten hätte Cinna sich bestimmt nicht kaufen lassen, denn er schien ein integrer Mann — auch deshalb würde er den Wählern der ersten Klasse gefallen. Doch in schlechten Zeiten wie diesen, wenn ein Mann die eigene Zukunft und die seiner Söhne vom Ruin bedroht sah, konnte es soweit kommen, daß selbst Ehrenmänner sich kaufen ließen. Vor allem, wenn ein solcher Ehrenmann nicht daran glaubte, daß seine veränderte Haltung auch seine Ehrbegriffe verändern würde.
    Die kurulischen Wahlen waren nicht Sullas einzige Sorgen. Er wußte außerdem, daß seine Armee die Belagerung Roms satt hatte. Die Soldaten wollten nach Osten ziehen und gegen Mithridates kämpfen, und sie verstanden nicht, warum ihr Feldherr sie in Rom festhielt. Außerdem regte sich immer mehr Widerstand gegen ihre Anwesenheit in der Stadt; die Soldaten bekamen zwar nach wie vor freie Mahlzeiten, Übernachtungen und Frauen angeboten, aber diejenigen Römer, die von Anfang an gegen Soldaten in der Stadt gewesen waren, fühlten sich ermutigt, den Inhalt ihrer Nachttöpfe aus Fenstern über den Köpfen glückloser Soldaten zu entleeren.
    Hätte Sulla sich zu massiven Bestechungen durchringen können, er hätte seine Kandidaten bei den kurulischen Wahlen vielleicht durchgebracht, denn die Stimmung kam großzügigen Bestechungen entgegen. Aber Sulla wollte sich um keinen Preis von seinem kleinen Goldschatz trennen. Pompeius Strabo sollte ruhig die Legionen aus eigener Tasche bezahlen, und auch Gaius sollte das tun; Lucius Cornelius Sulla betrachtete es als Pflicht Roms, dafür aufzukommen. Wenn Pompeius Rufus noch am Leben gewesen wäre, hätte Sulla sich das Geld des reichen Picenters sichern können; aber daran hatte er nicht gedacht, als er ihn nach Norden in den Tod geschickt hatte.
    Seine Pläne waren gut, aber ihre Durchführung war gefährlich, dachte er. In dieser elenden Stadt trieben sich viel zu viele Männer mit eigener Meinung herum, die alle entschlossen waren, zu bekommen, was sie wollten. Konnten sie denn nicht sehen, wie vernünftig und anständig seine Pläne waren? Wie konnte er sich genügend Macht verschaffen, um seine Pläne ungestört durchführen zu können? Männer mit Idealen und Prinzipien waren der Untergang der Menschheit!
    Ende Dezember schickte er seine Armee unter dem Befehl des getreuen Lucullus, der jetzt offiziell sein Quästor war, nach Capua zurück. Und dann schlug er alle Warnungen in den Wind und legte sein Schicksal in die Hände Fortunas: Er hielt die Wahlen ab.
    Sulla glaubte zwar, den Groll, den die Bevölkerung Roms gegen ihn hegte, richtig einzuschätzen, aber in Wahrheit begriff er keineswegs, wie weit diese Feindschaft ging. Niemand sagte ein Wort, niemand sah ihn schräg an, aber trotz einiger Lippenbekenntnisse konnten die Römer weder vergessen noch verzeihen, daß Sulla eine Armee in die Stadt geführt hatte — und daß Sullas Armee sich mehr Sulla als der Stadt Rom verpflichtet fühlte.
    Alle, vom Patrizier bis zum letzten Gassenjungen, teilten diesen unterschwelligen Groll. Selbst Männer, die Sulla und dem Senat so eng verbunden waren wie die Brüder Caesar und die Brüder Scipio Nasica, hatten

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