MoR 02 - Eine Krone aus Gras
im Schlamm der Mündung des Liri wuchsen.
»Reitet zu, wir bekommen den Schurken schon!«
Die Reiter des Sextus Lucilius fanden Marius zwei Stunden später tatsächlich. Sie kamen gerade noch rechtzeitig: Marius hatte seine Kleider zurückgelassen und steckte zappelnd, erschöpft und immer tiefer einsinkend bis zur Taille in schwarzem, klebrigem Schlamm. Es war nicht leicht, ihn herauszuziehen, aber es waren genügend Helfer da, und schließlich gab der alles verschluckende Schlamm sein Opfer widerwillig frei. Einer der Männer nahm seinen Umhang ab und wollte ihn Marius geben, der Anführer hinderte ihn jedoch daran.
»Der alte Krüppel soll ruhig nackt bleiben. Minturnae soll sehen, was für ein feiner Kerl der große Gaius Marius ist! Die ganze Stadt wußte, daß er hier war. Sie werden dafür büßen, daß sie ihm Unterschlupf gewährt haben.«
So mußte der alte Marius nackt, hinkend und stolpernd den ganzen Weg nach Minturnae zurücklegen. Er ging zu Fuß, seine Bewacher umgaben ihn hoch zu Roß, und es machte ihnen nichts aus, wie weit die Strecke war. Als sie am Stadtrand ankamen und die ersten Häuser den Weg säumten, rief der Anführer mit lauter Stimme Menschen herbei, damit sie den gefangenen Flüchtling Gaius Marius sehen konnten, der bald auf dem Forum von Minturnae einen Kopf kürzer gemacht werden würde. »Kommt näher, kommt alle her!« schrie er.
Am Nachmittag erreichten die Häscher das Forum. Fast die ganze Stadt hatte sich eingefunden. Die Einwohner waren so verblüfft und überrascht, daß sie gegen die Behandlung des großen Gaius Marius nicht protestierten, außerdem wußten sie, daß er wegen Hochverrats verurteilt war. Trotzdem wuchs in ihren Hinterköpfen langsam ein dumpfer Zorn heran — ein Gaius Marius war kein Verräter!
Die beiden obersten Magistraten warteten am Fuß der Stufen zur Versammlungshalle, umgeben von einer städtischen Wache. Man war in aller Eile zusammengekommen, um den arroganten Vertretern des römischen Rechts zu zeigen, daß Minturnae vor ihnen nicht einfach zu Kreuze kroch, sondern sich notfalls zu wehren wußte.
»Wir haben Gaius Marius eingefangen, als er gerade auf einem Schiff aus Minturnae entwischen wollte«, sagte der Anführer der Reiter drohend. »Die Einwohner dieser Stadt wußten, daß er hier war, und haben ihm geholfen.«
»Die Stadt Minturnae kann nicht für die Taten einiger ihrer Einwohner verantwortlich gemacht werden«, sagte der ältere der beiden Magistraten steif. »Aber jetzt habt ihr euren Gefangenen ja. Nehmt ihn und geht.«
»Ich will ihn nicht ganz!« sagte der Anführer grinsend. »Sein Kopf reicht mir. Den Rest dürft ihr behalten. Da drüben ist eine geeignete Steinbank. Wir legen ihn einfach darauf, und im Nu ist sein Kopf ab.«
Die Menge begann zu murren, und die beiden Magistraten machten böse Gesichter. Auch die Wache wurde unruhig.
»Mit welchem Recht wollt ihr auf dem Forum von Minturnae einen Mann hinrichten, der sechsmal Konsul von Rom war — einen Helden?« fragte der ältere Duumvir. Er musterte den Anführer und seine Männer von oben bis unten und beschloß, sie ein wenig das fühlen zu lassen, was er gefühlt hatte, als sie ihn früher am Tag grob zur Rede gestellt hatten. »Ihr seht nicht wie römische Reiter aus. Woher soll ich wissen, daß ihr seid, was ihr sagt?«
»Wir sind eigens für diese Aufgabe angeworben worden«, sagte der Anführer. Er wurde allmählich nervös, denn er sah die aufgebrachten Gesichter in der Menschenmenge und die Wachen, die an den Scheiden ihrer Schwerter rückten, um die Schwerter schneller ziehen zu können.
»Von wem? Vom Senat und dem Volk von Rom?« fragte der Duumvir wie ein Advokat, der ein Verhör durchführte.
»So ist es.«
»Das glaube ich nicht. Zeige mir einen Beweis.«
»Der Mann ist wegen Hochverrats verurteilt! Du weißt, was das bedeutet, Duumvir. Sein Leben ist in jeder römischen und latini- schen Gemeinde verwirkt. Ich habe nicht den Auftrag, den Mann lebend nach Rom zurückzubringen. Ich soll seinen Kopf zurückbringen.«
»Wenn das so ist«, sagte der ältere Magistrat ruhig, »und du den Kopf wirklich willst, mußt du gegen Minturnae kämpfen. Wir sind keine gemeinen Barbaren. Ein römischer Bürger vom Ansehen eines Gaius Marius wird nicht wie ein Sklave oder ein Ausländer enthauptet.«
»Genaugenommen ist er gar kein römischer Bürger!« sagte der Anführer böse. »Aber wenn ihr die Aufgabe ordentlich erledigt haben wollt, schlage ich euch vor,
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