MoR 02 - Eine Krone aus Gras
sie doch selbst zu erledigen! Ich reite nach Rom zurück und hole dir jeden Beweis, den du verlangst, Duumvir! In drei Tagen bin ich zurück. Dann hoffe ich für euch, daß Gaius Marius tot ist, oder die ganze Stadt wird dem Senat und Volk von Rom Rede und Antwort stehen müssen. Und in drei Tagen nehme ich den Kopf des Gaius Marius mit, wie mir befohlen wurde.«
Marius hatte die ganze Zeit schwankend zwischen den Reitern gestanden. Sein Schicksal und seine offensichtliche Erschöpfung hatte viele Bürger Minturnaes zu Tränen gerührt. Einer der Reiter fürchtete, um seine Belohnung betrogen zu werden. Wütend zog er sein Schwert und holte aus, um auf Marius einzuschlagen, aber plötzlich waren die Menschen zwischen den Pferden. Viele Hände streckten sich nach dem Flüchtling aus, um ihn vor den Schwertern in Sicherheit zu bringen. Auch die Wachen ließen ihre Klingen sehen.
»Dafür wird Minturnae bezahlen!« knurrte der Anführer.
»Minturnae wird den Gefangenen hinrichten, wie es seiner Würde entspricht«, sagte der ältere Magistrat. »Geht!«
»Einen Augenblick!« rief eine heisere Stimme. Gaius Marius drängte sich nach vorn. »Diese braven Leute vom Land kannst du vielleicht täuschen, mich aber nicht! Es gibt in Rom keine Reiter, die Verurteilte aufspüren. Weder der Senat noch das Volk kann jemand wie euch einstellen. Nur Einzelpersonen können das. Wer bezahlt euch?«
Marius’ machtvolle Stimme versetzte den Anführer so sehr in frühere Zeiten zurück, als er noch hinter den Feldzeichen hermaschiert war, daß er antwortete, bevor er sich eines Besseren besinnen konnte: »Sextus Lucilius.«
»Danke!« sagte Marius. »Das werde ich mir merken!«
»Ich scheiße auf dich, alter Narr!« sagte der Anführer verächtlich und riß mit einem grausamen Ruck den Kopf seines Pferdes herum. »Magistraten von Minturnae, ihr habt mir euer Wort gegeben! Wenn ich wiederkomme, ist Gaius Marius tot, und dann nehme ich seinen Kopf mit!«
Sobald die Reiter verschwunden waren, nickte der Duumvir den Wachen zu. »Nehmt Gaius Marius in Gewahrsam.«
Die Wachen ergriffen Marius und geleiteten ihn rücksichtsvoll in eine einzelne Zelle unter dem Podest des Tempels des Jupiter Optimus Maximus, die normalerweise nur zur Ausnüchterung Betrunkener oder zur vorübergehenden Festnahme Verrückter diente.
Sobald Marius weggebracht worden war, bildeten sich auf dem Forum Gruppen eifrig diskutierender Menschen. Andere gingen in die Tavernen, die den Platz umgaben. Und Aulus Belaeus, der alles miterlebt hatte, ging von einer Gruppe zur anderen und mischte sich eifrig in die Diskussionen ein.
Minturnae hatte mehrere städtische Sklaven, von denen einer, Burgundus, ganz besonders tüchtig war. Die Stadt hatte ihn zwei Jahre zuvor einem reisenden Händler abgekauft und seither nie den hohen Preis von fünftausend Denaren bereut, den sie hatte bezahlen müssen. Burgundus war damals achtzehn Jahre alt gewesen. Jetzt war er zwanzig, ein riesenhafter Germane vom Stamm der Kimbern. Wenn er stand, überragte er die wenigen Männer Minturnaes, die sechs Fuß maßen, noch um Haupteslänge. Seine Muskeln waren ebenfalls beeindruckend, und seine körperliche Kraft wurde durch keinerlei geistige Bildung oder Sensibilität beeinträchtigt — wenig verwunderlich bei einem Menschen, der im Alter von sechs Jahren nach der Schlacht bei Vercellae in Gefangenschaft geraten war und seither das Leben eines versklavten Barbaren hatte führen müssen. Er hatte nicht die Privilegien und Einkünfte eines gebildeten Griechen, der sich selbst in die Sklaverei verkaufte, weil ihn das ein guter Weg zu Geld und Wohlstand dünkte. Burgundus bekam einen Hungerlohn bezahlt und lebte in einer verfallenen Holzhütte am Stadtrand, und wenn eine gelangweilte römische Bürgerin zu ihm kam, die wissen wollte, was für ein Liebhaber ein barbarischer Riese war, dann dachte Burgundus, er sei vom Zauberwagen der Göttin Nerthus heimgesucht worden. Er kam nie auf die Idee zu fliehen, noch war er mit seinem Schicksal unzufrieden. Im Gegenteil, er hatte die zwei Jahre in Minturnae genossen, wo er sich wichtig und anerkannt fühlte. Mit der Zeit würde sein Einkommen erhöht werden, hatte man ihm zu verstehen gegeben, und er würde heiraten und Kinder haben dürfen. Und wenn er weiterhin gute Arbeit leistete, würden seine Kinder freigelassen werden.
Die anderen öffentlichen Sklaven mußten Unkraut jäten, Gebäude fegen, streichen oder tünchen und andere
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