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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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kaum zum Sehen, zumal sich Burgundus’ Augen noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Der germanische Riese richtete sich soweit auf wie möglich und entdeckte vor sich einen grauschwarzen Klumpen, der ungefähr wie ein Mensch geformt war. Der Klumpen stand auf und stellte sich vor seinen Scharfrichter hin.
    »Was willst du?« fragte der Gefangene laut und mit befehlsgewohnter Stimme.
    »Ich habe den Auftrag, dich zu erdrosseln«, sagte Burgundus schlicht.
    »Du bist Germane!« sagte der Gefangene scharf. »Von welchem Stamm? — Los, antworte mir, Bursche!«
    Die letzte Äußerung war noch schärfer hervorgestoßen worden, und Burgundus konnte nun besser sehen. Die wilden, feurigen Augen seines Gegenübers ließen ihn mit der Antwort zögern.
    »Ich bin ein Kimber, Herr.«
    Der große, nackte Mann mit den schrecklichen Augen schien anzuschwellen. »Was? Ein Sklave — und obendrein einer, den ich besiegt habe — erdreistet sich, Gaius Marius zu töten?«
    Burgundus zuckte zusammen, schlug die Hände vors Gesicht und duckte sich.
    »Hinaus mit dir!« brüllte Gaius Marius. »Ich werde nicht in einem schäbigen Verließ durch die Hand eines Germanen sterben! «
    Jammernd ergriff Burgundus die Flucht. Er ließ die Zellen- und die Außentür weit offenstehen und stürzte nach draußen auf das Forum.
    »Nein, nein!« schrie er den Männern auf dem Forum entgegen. Tränen rannen ihm über das Gesicht. »Ich kann Gaius Marius nicht töten! Ich kann nicht! Ich kann nicht!«
    Aulus Belaeus eilte ihm von der anderen Seite des Forums entgegen und hielt die zitternden Hände des Riesen vorsichtig fest. »Ist ja gut, Burgundus, das verlangt ja auch niemand von dir. Höre auf zu weinen und sei ein guter Junge.«
    »Ich kann Gaius Marius nicht töten!« rief Burgundus wieder und wischte sich die Nase am Arm ab, weil Belaeus immer noch seine Hände hielt. »Und ich lasse auch nicht zu, daß jemand anders Gaius Marius tötet!«
    »Niemand wird Gaius Marius töten«, sagte Belaeus bestimmt. »Es ist alles ein Mißverständnis. Geh zu Marcus Furius und nimm ihm den Wein und das Gewand ab, das er in der Hand hält. Bring beides zu Gaius Marius. Dann führe Gaius Marius in mein Haus und warte dort mit ihm.«
    Der Riese beruhigte sich wie ein Kind schnell, strahlte Aulus Belaeus an und sprang davon, um zu tun, was ihm befohlen worden war.
    Belaeus wandte sich der Menge zu, die sich um ihn versammelt hatte. Seine Augen hefteten sich auf die Duumvirn, die aus der Versammlungshalle herbeigeeilt waren.
    »Ihr Bürger von Minturnae, wollt ihr zulassen, daß unsere schöne Stadt die abscheuliche Aufgabe übernimmt, Gaius Marius zu töten?«
    »Aulus Belaeus, wir müssen es tun!« sagte der ältere Magistrat atemlos. »Es handelt sich um Hochverrat!«
    »Das ist mir egal«, sagte Aulus Belaeus. »Auch wenn Gaius Marius alle Verbrechen begangen hätte, die in den Statuten aufgezählt sind, Minturnae kann ihn nicht hinrichten!«
    Aus der Menge ertönten lautstarke Rufe, die Aulus Belaeus recht gaben, deshalb beriefen die Magistraten auf der Stelle eine Versammlung ein, die über die Angelegenheit diskutieren sollte. Das Ergebnis stand von vornherein fest: Gaius Marius sollte freigelassen werden. Minturnae konnte unmöglich die Verantwortung für den Tod eines Mannes auf sich nehmen, der sechs Male Konsul von Rom gewesen war und Italien vor den Germanen gerettet hatte.
    »So«, sagte Aulus Belaeus wenig später zufrieden zu Gaius Marius, »es freut mich, dir sagen zu können, daß ich dich wieder auf mein Schiff bringen werde und daß dich die besten Wünsche von ganz Minturnae begleiten, auch die unserer pflichtbewußten Magistraten. Und diesmal wird das Schiff ablegen, ohne daß du wieder an Land geschleppt wirst, das verspreche ich dir.«
    Marius hatte gebadet und gegessen und fühlte sich wesentlich besser. »Ich habe viel Freundlichkeit erlebt, seit ich aus Rom fliehen mußte, Aulus Belaeus, aber nirgendwo so viel wie hier in Minturnae. Ich werde diese Stadt nie vergessen.« Er sah zu Burgundus hinauf und schenkte ihm das freundlichste Lächeln, zu dem sein halbseitig gelähmtes Gesicht imstande war. »Und ich werde nie vergessen, daß ein Germane mich verschont hat. Danke.«
    Belaeus stand auf. »Ich hätte gern die Ehre, dich noch länger in meinem Haus zu beherbergen, Gaius Marius, aber ich habe keine Ruhe, bis dein Schiff endgültig abgefahren ist. Ich möchte dich sofort zum Hafen bringen. Du kannst an Bord schlafen.«
    Als sie

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