MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Verbündeten des Römischen Volkes ernenne, die im ständigen Zwist miteinander lägen. Er machte darauf aufmerksam, daß er selbst seit seiner Thronbesteigung vor fünfzig Jahren in seiner Treue zu Rom niemals gewankt habe. Lucius Appuleius Saturninus, damals zum zweiten Mal Volkstribun, hatte sich auf die Seite Bithyniens gestellt, und am Ende war all das Geld, das die Gesandten des Mithridates bedürftigen Senatoren zugesteckt hatten, umsonst ausgegeben worden. Das pontische Ansinnen wurde abgelehnt und die Gesandtschaft nach Hause geschickt.
Mithridates reagierte heftig. Zuerst bekam er einen Wutausbruch, der den ganzen Hof erschütterte. Alle bebten vor Entsetzen, als der König brüllend im Audienzsaal auf und ab stampfte und die schlimmsten Flüche und Verwünschungen auf Rom und alle Römer ausstieß. Dann verfiel er in eine noch erschreckendere Ruhe und saß stundenlang, allein und düster brütend, auf seinem königlichen Löwenstuhl. Dann schließlich, nachdem er Königin Laodike beauftragt hatte, das Königreich in seiner Abwesenheit zu regieren, verließ er Sinope und verschwand über ein Jahr.
Zuerst ging er nach Amaseia, der alten pontischen Hauptstadt seiner Vorfahren. Hier waren die ersten Könige des Reiches begraben; ihre Gräber hatte man aus den Felsen der Berge in der Umgebung Amaseias gehauen. Tagelang marschierte er durch die Gänge des Palastes, ohne auf seine verschreckten Sklaven oder die verführerischen Avancen seiner zwei Gemahlinnen und acht Konkubinen zu achten, die in Amaseia ständig auf ihn warteten. Dann war seine Wut so plötzlich und vollständig verschwunden wie ein Wolkenfetzen, der vom Sturm von einem Berggipfel weggefegt wird, und er machte sich ans Pläneschmieden. Er ließ weder Höflinge aus Sinope nachkommen, noch ritt er nach Zela, wo eins seiner Heere lagerte. Statt dessen ließ er die Adligen kommen, die in Amaseia lebten, und beauftragte sie, eine Armee von tausend erstklassigen Soldaten für ihn zusammenzustellen. Seine Anweisungen waren wohlüberlegt und wurden in einem Ton vorgebracht, der weder Einwände noch Weigerungen zuließ. Mithridates wollte nach Ankyra ziehen, der größten Stadt Galatiens. Begleiten sollte ihn nur eine Leibwache; die Soldaten sollten erst in einem Abstand von mehreren Meilen folgen. Die adligen Anführer schickte er voraus. Sie sollten alle galatischen Stammeshäuptlinge zu einer großen Versammlung nach Ankyra einberufen, wo der König von Pontos interessante Vorschläge machen wollte.
Galatien war ein exotisches Land, ein keltischer Vorposten in einem Subkontinent, in dem sonst Menschen persischer, syrischer, germanischer und hethitischer Abkunft lebten. Außer den Syrern gehörten alle Bewohner des Subkontinents einem hellen Typ an, zumindest was ihre Haut betraf, sie waren freilich längst nicht so hell wie diese keltischen Einwanderer, die von dem gallischen König Brennus II. abstammten. Seit fast zweihundert Jahren hatten sie das große Stück Land im Herzen Anatoliens besetzt und lebten wie Gallier, ohne sich um die Kulturen zu scheren, die sie umgaben. Sogar die Kontakte der galatischen Stämme untereinander waren eher spärlich: Sie hatten keinen gemeinsamen König und kein Interesse daran, sich zusammenzuschließen, um zusätzliches Land zu erobern. Eine Zeitlang hatten sie sogar König Mithridates V. von Pontos als ihren Oberherrn anerkannt, eine recht inhaltsleere Angelegenheit, die weder ihnen noch Mithridates etwas eingebracht hatte, denn die Galater lieferten die Abgaben und Tribute, zu denen sie sich verpflichtet hatten, nie ab, und Mithridates starb, bevor er Vergeltung üben konnte. Niemand hatte gern mit den Galatern zu tun. Sie waren Gallier und damit viel wildere Menschen als Phrygier, Kappadokier, Ponter, Bithynier oder ionische und dorische Griechen.
Die Anführer der drei galatischen Stämme und ihrer Unterstämme leisteten dem Ruf des sechsten Mithridates Folge und kamen nach Ankyra. Sie kamen eigentlich mehr wegen des versprochenen großen Festes als wegen der blutigen Beutezüge, zu denen der König sie, wie sie wußten, auffordern würde. Und in Ankyra — kaum größer als ein Dorf — wartete Mithridates schon auf sie. Er hatte das ganze Land zwischen Amaseia und Ankyra nach jedem erdenklichen Leckerbissen und jedem Tropfen Wein durchkämmt und bereitete den galatischen Häuptlingen nun einen Festschmaus, wie sie ihn sich großartiger auch in ihren wildesten Träumen nicht hätten ausdenken können. Die
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