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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Vorfreude trübte ihr Urteil, noch bevor sie sich auf Speis und Trank stürzten, und dann machten sie sich mit Wonne daran, die doppelte Falle selbst zuschnappen zu lassen, die ihnen gestellt worden war: Sie schlugen sich die Bäuche voll und benebelten sich die Köpfe.
    Und als sie betrunken und besinnungslos schnarchend inmitten der Reste der Orgie lagen, schwärmten die tausend handverlesenen Soldaten König Mithridates’ lautlos über das Gelände aus und ermordeten alle Galater. Erst als der letzte galatische Häuptling tot war, stand König Mithridates von seinem Thron am Kopf der großen Tafel auf, wo er ein Bein über die Armlehne geschlagen und mit dem Fuß gewippt hatte und wandte den Schlächtern sein großes, glattes, ausdrucksloses Gesicht zu.
    »Verbrennt sie«, sagte er schließlich, »und verstreut die Asche über ihrem Blut. Hier wird nächstes Jahr hervorragender Weizen wachsen. Nichts düngt einen Boden besser als Blut und Knochen.«
    Dann erklärte er sich zum König von Galatien. Die Galater waren führerlos und überall verstreut und konnten ihm keinen Widerstand leisten.
    Und dann verschwand Mithridates plötzlich spurlos. Nicht einmal sein oberster Stellvertreter wußte, wohin er gegangen war oder was er vorhatte. Er hinterließ lediglich die schriftliche Order, Galatien vollständig zu unterwerfen, nach Amaseia zurückzukehren und der Königin in Sinope mitzuteilen, sie solle einen Satrapen für die neue pontische Provinz Galatien ernennen.
    Als Händler verkleidet, ritt Mithridates nach Pessinus. Er saß auf einem unscheinbaren braunen Pferd und führte einen Esel an der Leine, auf dem er ein paar Kleider zum Wechseln und einen ziemlich dümmlichen galatischen Skkven verstaut hatte, der nicht einmal wußte, wer sein Herr war. Im Tempel der Großen Mutter Kybele gab Mithridates sich Battakes zu erkennen und stellte ihn in seine Dienste. Der Priester gab ihm viele brauchbare Auskünfte. Von Pessinus reiste Mithridates durch das lange Tal des Mäander in die römische Provinz Asia.
    Er bereiste fast alle Städte Kariens. Der hochgewachsene Kaufmann aus dem Osten, der so neugierig war und sich über seine Geschäfte stets etwas unklar ausdrückte, ritt von einem Ort zum anderen, verabreichte seinem tumben Sklaven gelegentlich eine Tracht Prügel, hatte die Augen überall und speicherte alles, was er sah, in seinem Gedächtnis ab. Er aß mit anderen reisenden Kaufleuten an Wirtshaustischen, er trieb sich an Markttagen auf Marktplätzen herum und unterhielt sich mit jedem, der so aussah, als hätte er etwas Interessantes mitzuteilen. Er schlenderte an den Kais der ägäischen Häfen entlang, steckte einen Finger in Warenballen, roch an versiegelten Amphoren, flirtete mit Dorfmädchen und belohnte sie großzügig, wenn sie seine fleischlichen Gelüste befriedigten, und lauschte den Geschichten über die Reichtümer im Tempel des Asklepios auf der Insel Kos, im Artemistempel von Ephesos, im Heiligtum des Asklepios von Pergamon und über die sagenhaften Schätze von Rhodos.
    Von Ephesos wandte Mithndates sich nach Norden, nach Smyrna und Sardis, und schließlich kam er nach Pergamon, dem Sitz des römischen Statthalters. Von Ferne glitzerte die auf einem Berg gelegene Stadt wie eine juwelenbesetzte Schatulle. Hier sah er zum ersten Mal echte römische Soldaten — freilich nur die kleine Wache, die dem Statthalter zugeordnet war, denn die Provinz Asia galt nicht als militärisch gefährdet, und deshalb waren die Soldaten einheimische Hilfstruppen und Milizionäre. Mithridates beobachtete die achtzig Mitglieder der Wache lange und genau. Er sah die schweren Kettenhemden, die kurzen Schwerter, die Speere mit den kleinen Spitzen und die disziplinierte Art, in der die Soldaten sich bewegten, obwohl sie nur zu einem reduzierten Dienst abkommandiert waren. In Pergamon sah er auch die erste purpurgesäumte Toga: die Toga des Statthalters. Der Statthalter wurde stets von Liktoren in hellroten Tuniken begleitet, die über der linken Schulter Rutenbündel trugen, aus denen Beile ragten — Zeichen dafür, daß dem Statthalter die Macht über Leib und Leben seiner Untertanen gegeben war. Mithridates sah, daß der Statthalter sich gegenüber einigen Männern in einfachen, weißen Togen sehr unterwürfig verhielt. Diese, fand er heraus, waren die Steuerpächter, die als Vertreter großer Gesellschaften die Steuern eintrieben, die die Provinz an Rom zahlen mußte. Sie schritten so gravitätisch durch die

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