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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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meisterhaft entworfenen und angelegten Straßen von Pergamon, daß man den Eindruck bekam, sie und nicht die römische Republik seien die eigentlichen Herren der Provinz.
    Es lag Mithridates natürlich fern, mit einer dieser erhabenen Gestalten ein Gespräch anzufangen. Sie waren offensichtlich viel zu beschäftigt und wichtig, um einen einzelnen Kaufmann aus dem Osten zu beachten. Er beobachtete sie nur, wenn sie inmitten eines Schwarms von Buchhaltern und Schreibern an ihm vorbeigingen, und sprach dann später in einer gemütlichen kleinen Taverne, wo die Steuerpächter nicht zuhörten, mit Einheimischen.
    »Sie bluten uns aus«, bekam er oft zu hören, so oft, daß er es für die Wahrheit hielt und nicht nur für das typische Murren von Männern, die nur murren, um ihren Reichtum zu überdecken, wie es reiche Grundbesitzer und Geschäftsleute im Besitz von Monopolen taten.
    »Wie geht das zu?« fragte Mithridates am Anfang, und dann wurde er gefragt, wo er denn seit dem Tod des Königs Attalos vor dreißig Jahren gewesen sei. Also erfand er eine Geschichte ausgedehnter Reisen an die Nordküste des Schwarzen Meeres. Wenn ihn jemand über Olbia oder Kimmeria ausfragte, konnte er von diesen Orten immerhin als einer reden, der schon einmal dort gewesen war.
    In Rom, erfuhr er, gebe es zwei hohe Magistraten, die Zensoren hießen. »Sie werden gewählt — eigenartig, nicht? — und müssen zuvor Konsuln gewesen sein, woran man sieht, wie wichtig das Amt des Zensors ist. Nun, in jeder anständigen griechischen Gemeinde werden die finanziellen Geschäfte des Staates von ordentlich und öffentlich bestallten Personen verrichtet, nicht von Männern, die noch ein Jahr zuvor vielleicht mit ihren Heeren im Feld gestanden haben! Nicht so in Rom. Dort sind die Zensoren zwar die reinsten Amateure in finanziellen Geschäften, aber dennoch befugt, in allen diesen Angelegenheiten zu entscheiden. Alle fünf Jahre vergeben sie im Namen des Staates Verträge.«
    »Verträge?« fragte der orientalische Herrscher stirnrunzelnd.
    »Verträge. Wie andere Verträge auch, nur daß diese zwischen privaten Gesellschaften und dem römischen Staat abgeschlossen werden«, sagte der Händler aus Pergamon, dessen Zeche Mithridates an diesem Abend bezahlte.
    »Ich fürchte, ich habe mich zu lange in Ländern herumgetrieben, die von Königen regiert werden«, sagte der König. »Hat der römische Staat keine Diener, die dafür sorgen, daß seine Geschäfte ordentlich erledigt werden?«
    »Nur seine Magistraten — Konsuln, Prätoren, Ädilen und Quästoren —, und denen ist nur eines wichtig: Die römische Staatskasse muß voll sein.« Der Mann aus Pergamon kicherte. »Sehr oft, mein Freund, ist ihnen am allerwichtigsten, daß die eigene Kasse gefüllt ist.«
    »Sprich weiter. Das interessiert mich sehr.«
    »An unserer mißlichen Lage hier ist allein Gaius Gracchus schuld.«
    »Einer der Brüder Sempronius?«
    »Genau der. Der jüngere der beiden. Er brachte das Gesetz durch, daß die Steuern in der Provinz Asia von speziell zu diesem Zweck gegründeten Gesellschaften eingetrieben werden sollten. Auf diese Weise, so seine Überlegung, würde der römische Staat zu seinem Geld kommen, ohne selbst Steuereintreiber anstellen zu müssen. In der Folge kamen Steuerpächter nach Asia — Männer, die den Steuereinzug gepachtet oder genauer ersteigert hatten. Die Zensoren in Rom geben den Bewerbern die Bedingungen bekannt, zu denen der Staat den Steuereinzug vergibt. Im Fall der Provinz Asia heißt das, daß sie die Geldsumme verkünden, die das Schatzamt in den nächsten fünf Jahren jährlich als Steuern einzunehmen gedenkt. Das ist nicht die Summe, die dann in der Provinz tatsächlich eingetrieben wird. Diese Summe hängt von der privaten Gesellschaft ab, die selbst einen Profit machen will, bevor sie ans Schatzamt das abführt, wozu sie sich vertraglich verpflichtet hat. Also setzen sich scharenweise Buchhalter mit ihren Rechenbrettern hin und kalkulieren, wieviel aus der Provinz Asia jährlich herausgepreßt werden kann, und dann wird den Zensoren ein Angebot vorgelegt.«
    »Verzeih, wenn ich das noch nicht ganz verstehe — wieso spielt es für Rom eine Rolle, welches Angebot den Zensoren vorgelegt wird, wenn die Summe, die der Staat haben will, schon feststeht?«
    »Weil, mein Freund, diese Summe nur das Minimum dessen ist, was das Schatzamt zu akzeptieren bereit ist! Jede Steuerpächtergesellschaft versucht also, ein Gebot zu kalkulieren, das um

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