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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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nur ein Vorspiel dazu war, den Versammlungen der Tribus die gesetzgebende Gewalt zurückzugeben. Cinna und seine Volkstribunen waren schon vor den meisten anderen da. Sie mischten sich in das wachsende Gedränge, beantworteten Fragen und beruhigten diejenigen, die noch schwerwiegende Bedenken wegen der Italiker hatten. Am beruhigendsten wirkte natürlich das Versprechen eines allgemeinen Schuldenerlasses.
    Die versammelten Menschen waren so damit beschäftigt zu reden, zu gähnen oder einfach darauf zu warten, daß Cinna anfing — er und seine Volkstribunen waren inzwischen auf die Rednertribüne gestiegen —, daß sie nicht merkten, wie die Versammlung plötzlich durch einen neuen Besucherstrom vergrößert wurde. Die Neuankömmlinge waren mit Togen bekleidet und sahen wie gewöhnliche Angehörige der dritten und vierten Klasse aus.
    Gnaeus Octavius Ruso hatte nicht umsonst als erster Legat des Pompeius Strabo gedient. Seine Maßnahme gegen die Übel, von denen der Staat befallen war, war glänzend organisiert und vorbereitet. Die tausend Veteranen, die er mit dem Geld des Pompeius Strabo und Antonius Orator angeworben hatte, umzingelten die Menge. Dann ließen sie die Togen fallen und standen in voller Rüstung da, bevor jemand Verdacht schöpfen konnte. Nun begann ein schrilles Pfeifkonzert, und die Söldner stürzten sich mit gezogenen Schwertern von allen Seiten auf die Menge. Hunderte und Tausende wurden niedergeschlagen, und noch viel mehr wurden von den Füßen der in Panik ausbrechenden Menge zu Tode getrampelt. Da die Angreifer von allen Seiten auf die Versammelten eindrangen, dauerte es eine Zeitlang, bis die ersten es wagten, die Kette zu durchbrechen und und zu fliehen.
    Cinna und seine sechs Volkstribunen waren nicht unter den Eingeschlossenen. Es gelang ihnen, von der Rednertribüne zu fliehen. Nur etwa zwei Drittel der Versammlungsteilnehmer hatten ein ähnliches Glück. Als Octavius kam, um sein Werk zu besehen, lagen mehrere tausend Angehörige der oberen Klassen der Zenturiatskomitien tot auf dem Marsfeld. Octavius war wütend, daß Cinna und seine Tribunen entkommen waren. Aber selbst Männer, die sich verkauften, um wehrlose Opfer abzuschlachten, hatten ihren Verhaltenskodex, und in diesem Fall hatten die Söldner es für zu gefährlich gehalten, Beamte des Staates zu ermorden.

    Quintus Lutatius Catulus Caesar und sein Bruder Lucius Julius Caesar, die in Lanuvium waren, hörten nur wenige Stunden später von dem Massaker, das in ganz Rom »Octavius-Tag« genannt wurde, und eilten zurück nach Rom, um Octavius zur Rede zu stellen.
    »Wie konntest du nur?« fragte Lucius Caesar weinend.
    »Entsetzlich! Grauenvoll!« sagte Catulus Caesar.
    »So hört doch mit eurem scheinheiligen Gewäsch auf! Ihr wußtet, was ich vorhatte«, sagte Gnaeus Octavius verächtlich. »Ihr habt mir sogar zugestimmt, daß es notwendig sei. Solange ihr nicht selbst damit zu tun hattet, habt ihr euer stillschweigendes Einverständnis gegeben. Also heult mir jetzt nichts vor! Ich habe getan, was ihr wolltet: die Zenturien gezähmt. Die Überlebenden werden jetzt nicht mehr für Cinnas Gesetze stimmen — egal, was für Anreize er ihnen bietet.«
    Erschüttert starrte Catulus Caesar den Konsul an. »Ich habe nie Gewalt als Mittel der Politik gebilligt, Gnaeus Octavius! Und genausowenig habe ich mein Einverständnis hierzu gegeben, weder stillschweigend noch sonstwie! Wenn du aus irgendeinem Wort, das mein Bruder oder ich geäußert haben, eine Einwilligung herausgehört hast, dann warst du im Irrtum. Gewalt ist schlimm genug — aber erst so etwas! Ein Massaker! Eine Greueltat!«
    »Mein Bruder hat recht«, sagte Lucius Caesar und wischte sich die Tränen ab. »Wir sind gebrandmarkt, Gnaeus Octavius. Die konservativsten Männer stehen nun nicht besser da als Saturninus oder Sulpicius.«
    Als Catulus Caesar merkte, daß nichts, was er sagte, diesen Jünger des Pompeius Strabo überzeugen konnte, falsch gehandelt zu haben, richtete er sich mit aller ihm noch zur Verfügung stehenden Würde auf und sagte: »Wie ich höre, war das Marsfeld zwei Tage lang ein Feld des Schreckens, Konsul. Als Verwandte die Leichen identifizieren und sie für die Toten- und Bestattungsfeiern mitnehmen wollten, karrten deine Söldner die Leichen zusammen, bevor die Verwandten Gelegenheit hatten, sie zu sehen, und warfen sie in eine große Kalkgrube zwischen den Gemüsegärten an der Via Recta! Abscheulich! Du hast uns zu einer Brut von Menschen

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