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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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gemacht, die noch schlimmer ist als die Barbaren, denn wir wissen es besser als die Barbaren! Mir vergeht mehr und mehr die Lust am Leben.«
    Octavius grinste höhnisch. »Dann schlage ich vor, du schneidest dir die Adern auf, Quintus Lutatius! Dies ist nicht mehr das Rom deiner erhabenen Vorfahren. Es ist das Rom der Gracchen, des Gaius Marius, des Saturninus, Sulpicius, Lucius Sulla und Lucius Cinna! Wir haben uns selbst in ein Chaos hineinmanövriert, in dem nichts mehr funktioniert — deshalb sind Massaker wie der Octavius-Tag notwendig.«
    Bestürzt sahen die Brüder Caesar einander an. Gnaeus Octavius schien sogar stolz auf diese Bezeichnung.
    »Woher hattest du das Geld für die Bezahlung deiner Mörder, Gnaeus Octavius? Von Marcus Antonius?« fragte Lucius Caesar.
    »Er hat einiges beigesteuert, ja. Und er bereut es nicht.«
    »Das glaube ich! Er ist eben ein Antonius«, sagte Catulus Caesar wütend. Er schlug sich mit den Händen auf die Schenkel und stand auf. »Nun, es ist vorbei, und wir werden uns davon nie wieder reinwaschen können. Aber ich will nichts damit zu tun haben, Gnaeus Octavius. Ich fühle mich zu sehr wie Pandora, nachdem sie ihre Büchse geöffnet hat.«
    »Was geschah mit Lucius Cinna und den Volkstribunen?« fragte Lucius Caesar.
    »Sie sind weg«, sagte Octavius kurz. »Natürlich werden sie geächtet. Hoffentlich bald.«
    Catulus Caesar, der bereits an der Tür von Octavius’ Arbeitszimmer war, blieb stehen und warf einen strengen Blick zurück. »Du kannst einem amtierenden Konsul sein konsularisches Imperium nicht wegnehmen, Gnaeus Octavius. Das ganze Unglück hat angefangen, als die Opposition versuchte, Lucius Sulla den Oberbefehl über das römischen Heer wegzunehmen, der ihm als Konsul zusteht. Schon das war nicht rechtens! Aber wenigstens hat niemand versucht, ihm sein Amt als Konsul wegzunehmen! Denn das geht auf keinen Fall. Kein Gesetz unserer Verfassung sieht die Möglichkeit vor, daß ein Magistrat, der Inhaber irgendeines Amtes oder irgendwelche Komitien die Befugnis hätten, einen kurulischen Magistrat vor Ablauf seines Amtsjahres rechtlich zu verfolgen oder zu entlassen. Dafür gibt es keinen Präzedenzfall. Einen Volkstribun kann man entlassen, wenn man es richtig anstellt, auch einen Quästor, wenn er seine Pflichten verletzt. Man kann sie aus dem Senat ausschließen oder sie von der Zensusliste streichen. Einen Konsul oder einen anderen kurulischen Magistrat kann man nicht vorzeitig entlassen, Gnaeus Octavius.«
    Gnaeus Octavius schien nicht beeindruckt. »Jetzt, wo ich das Geheimnis des Erfolgs entdeckt habe, Quintus Lutatius, kann ich alles tun, was ich will.« Als Lucius Caesar seinem Bruder zur Tür folgte, rief Octavius ihnen nach: »Morgen findet eine Senatssitzung statt. Ihr solltet kommen!«

    Rom war nicht Jerusalem oder Antiochia und hatte wenig für Propheten und Wahrsager übrig. Die Auguren vollzogen die Auspizien streng nach der römischen Tradition und hielten sich an ihre Bücher und Tafeln. Sie wußten genau, daß sie keine Einsicht in den zukünftigen Gang der Dinge hatten.
    Es gab allerdings einen echten Propheten, der zugleich Römer war, einen Patrizier aus dem Geschlecht der Cornelier namens Publius Cornelius Culleolus. Wie er zu seinem seltsamen Beinamen Culleolus, das Hodensäckchen, gekommen war, wußte niemand so recht, denn Publius Cornelius war ein uralter Mann, der immer schon alt gewesen schien. Er lebte in armseligen Verhältnissen von dem wenigen Geld, das seine Familie ihm zukommen ließ, und saß oft auf dem Forum auf den beiden Stufen, die zum Rundtempel der Venus Cloacina hinaufführten. Dieses kleine Heiligtum war älter als die Basilica Aemilia, in die es integriert worden war. Culleolus war keine Kassandra und kein religiöser Eiferer, und er beschränkte seine Vorhersagen auf wichtige politische und staatliche Ereignisse. Er prophezeite niemals das Ende der Welt oder das Kommen eines neuen und unendlich mächtigeren Gottes. Aber er hatte den Krieg gegen Jugurtha vorausgesagt, die Invasion der Germanen, Saturninus, den Bundesgenossenkrieg und den Krieg im Osten gegen Mithridates, der übrigens, wie er versicherte, noch eine ganze Generation lang andauern würde. Diese Erfolge hatten ihm einen Ruf verschafft, der seinen lächerlichen Beinamen Culleolus überstrahlte.
    Am Tag nach der Rückkehr der Brüder Caesar nach Rom trat der Senat im Morgengrauen zum ersten Mal seit dem Massaker des Octavius-Tages zusammen. Bis dahin waren

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