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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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»Ich bin auch einverstanden, Gaius Marius.«
    »Wunderbar!« rief Marius und machte ein paar Schritte vor Freude. Dann wandte er sich um und schnippte dem jungen Caesar mit den Fingern — auch das war eine neue Gewohnheit. »Komm mal her, Junge!«
    Was für ein hübscher Junge! dachte Cinna, dem der junge Caesar zum erstenmal aufgefallen war, als man den jungen Marius beschuldigt hatte, den Konsul Cato ermordet zu haben. Er sieht gut aus! Aber warum gefallen mir seine Augen nicht? Sie beunruhigen mich, sie erinnern mich... In diesem Moment fiel es ihm ein. Sullas Augen!
    »Ja, Gaius Marius?« sagte der junge Caesar und sah Marius mißtrauisch an. Er hatte natürlich bemerkt, daß er der Gegenstand der Unterhaltung gewesen war, an der er nicht hatte teilnehmen dürfen.
    »Wir haben deine Zukunft für dich geplant«, sagte Marius mit unverhüllter Zufriedenheit. »Du wirst sofort Lucius Cinnas jüngere Tochter heiraten. Dann wirst du unser neuer Jupiterpriester.«
    Der Junge sagte nichts. Kein Gesichtsmuskel bewegte sich. Doch während Marius sprach, hatte sich etwas an ihm verändert, obwohl das keiner der Anwesenden merkte.
    »Na was ist, was sagst du dazu?« fragte Marius.
    Die Frage wurde mit Schweigen beantwortet. Kaum hatte Marius den Plan enthüllt, hatte der junge Caesar den Blick auf den Boden gesenkt. Jetzt starrte er seine Füße an.
    »Was sagst du dazu?« wiederholte Marius, der jetzt bereits verärgert aussah.
    Die hellen Augen, mit denen der Junge seinen Vater ansah, waren völlig ausdruckslos. »Ich dachte, ich sollte die Tochter des reichen Gaius Cossutius heiraten, Vater.«
    Caesar errötete, und seine Lippen wurden schmal. »Über die Heirat mit Cossutia haben wir gesprochen, das ist richtig. Aber wir haben keine Entscheidung getroffen. Ich ziehe diese Heirat und die damit verbundene berufliche Zukunft für dich vor.«
    »Wie sähe denn diese Zukunft aus?« fragte der junge Caesar nachdenklich. »Als Jupiterpriester darf ich keine menschlichen Leichen anschauen. Ich darf weder Eisen noch Stahl berühren, weder Schere noch Rasiermesser noch Schwert noch Speer. Ich darf keine Knoten an meiner Kleidung tragen. Ich darf Ziegen, Pferde und Hunde nicht berühren und Efeu auch nicht. Ich darf kein rohes Fleisch essen, keinen Weizen, kein Sauerteig-Brot und keine Bohnen. Ich darf kein Leder berühren, das von einem Tier stammt, das nur für die Herstellung von Leder getötet wurde. Ich habe viele interessante und wichtige Pflichten. Zum Beispiel darf ich beim Weinfest den Jahrgang ausrufen. Ich darf in einer Drei- tieropfer-Prozession die Schafe führen. Ich fege den Tempel des großen Jupiter. Ich sorge für die Reinigung eines Hauses, in dem jemand verstorben ist. Ja, ich habe viele interessante und wichtige Aufgaben!«
    Die drei Männer hörten ihm zu, aber der Tonfall des Jungen verriet ihnen nicht, ob er ironisch oder nur einfach naiv war.
    »Was sagst du also dazu?« fragte Marius zum dritten Mal.
    Die blauen Augen sahen ihn an, Augen, die den Augen Sullas so sehr ähnelten, daß Marius einen Moment lang glaubte, Sulla vor sich zu haben, und instinktiv nach dem Schwert griff.
    »Ich sage... danke, Gaius Marius! Wie rücksichtsvoll von dir, daß du dich so viel um meine Zukunft kümmerst.« Die Stimme des Jungen war ausdruckslos, ohne beleidigend zu sein. »Ich verstehe vollkommen, warum du dir über meine bescheidene Zukunft solche Sorgen machst, Onkel. Nichts kann dem Jupiterpriester verborgen bleiben! Aber ich sage dir auch, Onkel, daß nichts das Schicksal eines Mannes ändern kann. Nichts kann verhindern, daß er das wird, was er werden soll.«
    »Aha, und du kannst der Bestimmung nicht entgehen, Priester des Jupiter zu werden!« rief Marius, der immer wütender wurde. Er hatte sich so sehr gewünscht, den Jungen weinen, demütig bitten und schließlich nachgeben zu sehen.
    »Natürlich nicht!« sagte der Junge erschrocken. »Du hast mich falsch verstanden, Onkel. Ich danke dir wirklich aufrichtig für diese neue Aufgabe, die wahrhaft eine Herkules-Arbeit ist.« Er blickte seinen Vater an. »Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte er. »Willst du mit mir kommen? Oder hast du hier noch etwas zu erledigen?«
    »Nein, ich komme mit dir«, sagte Caesar und sah Gaius Marius an. »Darf ich, Konsul?«
    »Selbstverständlich«, sagte Marius und begleitete Vater und Sohn ein kurzes Stück über das untere Forum.
    »Lucius Cinna, wir treffen uns später«, rief Caesar zurück und hob grüßend die Hand. »Danke

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