MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Zelt stand.
»Ja, Vater, sie weiß es«, antwortete der Junge mit tiefer Stimme.
»Dein Sohn wird allmählich erwachsen«, sagte Gaius Marius.
»Ja«, antwortete Caesar, der versuchte, so gelassen wie möglich zu erscheinen. »Ja, tatsächlich.«
»Die Eier sind schon im Sack, was?«
Caesar errötete. Sein Sohn zeigte jedoch keine Verlegenheit, sondern blickte Marius nur kurz an, als bedauere er dessen Bemerkung. Kein Anflug von Furcht, stellte Caesar fest und war trotz seiner eigenen Angst stolz auf seinen Sohn.
»Nun denn, ich habe ein paar Dinge mit euch beiden zu besprechen«, sagte Marius gutmütig, wobei er Cinna und Caesar meinte. »Junge, warte bei Burgundus und Lucius Decumius, während ich mich mit deinem Vater unterhalte.« Er wartete, bis er sicher war, daß der Junge außer Hörweite war, dann wandte er sich mit heiterer Miene Cinna und Caesar zu. »Ich wette, daß ihr euch die Köpfe darüber zerbrecht, was ich euch beiden zu sagen habe?«
»In der Tat«, sagte Caesar.
»Nun denn«, begann Marius — er gebrauchte diese Floskel neuerdings sehr häufig —, »ich kenne den jungen Caesar wahrscheinlich besser als du, Gaius Julius. Jedenfalls war ich in den letzten Jahren häufiger mit ihm zusammen als du. Ein bemerkenswerter Junge.« Marius’ Ton wurde nachdenklich, und in seine Augen trat ein bösartiger Ausdruck. »Ja, wirklich, ein bemerkenswerter Junge. Begabt. Intelligenter als jeder andere Bursche, den ich kenne. Schreibt sogar Gedichte und Dramen. Beherrscht aber auch die Mathematik. Wirklich begabt. Und eigenwillig. Reagiert sehr heftig, wenn man ihn provoziert. Und hat keine Angst vor Streit — fängt auch selbst Streit an, wenn es sein muß.«
Der bösartige Ausdruck in seinen Augen wurde stärker. Marius zog den rechten Mundwinkel hoch. »Nun denn. Als ich zum siebten Mal Konsul wurde und die Prophezeiung der alten Frau erfüllt hatte, dachte ich, der Junge gefällt mir! Gefällt mir so gut, daß ich ihm ein besseres und ruhigeres Leben ermöglichen will, als ich es hatte. Er ist nämlich ein hervorragender Gelehrter. Also, sagte ich mir, warum verschaffe ich ihm nicht die Stellung, die er braucht, um studieren zu können? Warum soll sich der Junge mit — na ja, Krieg und Politik herumquälen?«
Cinna und Caesar hatten das Gefühl, auf dem bröckelnden Rand eines Vulkans entlangzugehen. Sie hatten keine Ahnung, worauf Marius hinauswollte.
»Nun denn«, fuhr Marius fort, »unser Jupiterpriester ist tot. Aber Rom darf nicht ohne den Priester des großen Jupiter sein, nicht wahr? Und hier haben wir nun dieses vollkommene Kind, den jungen Gaius Julius Caesar. Er ist Patrizier. Beide Eltern leben noch. Also ein idealer Kandidat. Nur ist er eben nicht verheiratet. Aber du, Lucius Cinna, hast eine noch nicht versprochene Tochter. Sie ist auch Patrizierin. Ihre beiden Eltern leben noch. Würde sie mit dem jungen Caesar verheiratet, wären alle Bedingungen erfüllt. Die beiden würden einen wunderbaren Jupiterpriester und eine wunderbare Priesterin abgeben! Du brauchtest dir keine Sorgen zu machen, Gaius Julius, wo du das Geld hernehmen solltest, um deinem Sohn die Ämterlaufbahn zu finanzieren. Und du, Lucius Cinna, brauchtest dir keine Sorgen um die Mitgift deiner Tochter zu machen. Ihr Einkommen zahlt der Staat, und sie wohnen auf Staatskosten. Ihre Zukunft wäre nicht nur sicher, sondern glanzvoll.« Er hielt inne und strahlte die beiden wie versteinert zuhörenden Väter an. Dann streckte er die rechte Hand aus. »Was sagt ihr dazu?«
»Aber meine Tochter ist doch erst sieben Jahre alt!« sagte Cinna entsetzt.
»Das ist kein Hindernis«, erklärte Marius. »Sie wird schnell älter. Die beiden können weiterhin bei ihren Eltern wohnen, bis sie groß genug sind, im domus publicus des Jupiterpriesters zu wohnen. Natürlich kann die Ehe erst vollzogen werden, wenn die kleine Cornelia Cinna Minor älter ist. Aber in keinem Gesetz steht, daß sie nicht jetzt schon heiraten können.« Marius kicherte. »Also, was sagt ihr dazu?«
Cinna war unendlich erleichtert, daß dies der einzige Grund war, weshalb Marius ihn hatte sprechen wollen. »Mir ist es recht«, sagte er. »Ich gebe zu, daß es für mich schwierig wäre, meiner zweiten Tochter eine Mitgift zu geben, nachdem mich die erste Tochter schon so viel Geld gekostet hat.«
»Und du, Gaius Julius?«
Caesar warf Cinna einen Blick zu, und dieser gab ihm stumm zu verstehen: Stimme zu, oder du bringst dich und deine Familie ins Unglück.
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