MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Menschen, denen sie begegneten, abzukaufen, und er blieb diesen als Gott in Erinnerung, der großzügig unerhörte Reichtümer verteilte.
Im Monat Quintilis erreichten sie den Araxes und zogen durch dessen gewundenes Tal. Mithridates legte größten Wert darauf, die Bauern für jeden Schaden, den seine Karawane anrichtete, zu entschädigen. Jegliche Kontakte mit Einheimischen mußten nun mit der Zeichensprache abgewickelt werden, denn östlich des Euphrat sprach niemand mehr Griechisch. Mithridates hatte ein paar Boten nach Artaxata vorausgeschickt, die seine Ankunft melden sollten, und als die Stadt in Sicht kam, konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken, denn angesichts des Anblicks vor ihm wußte er instinktiv, daß die lange und mühsame Reise nicht umsonst gewesen war.
König Tigranes von Armenien war König Mithridates von Pontos persönlich zur Begrüßung entgegengekommen. Die Wachsoldaten, die ihn begleiteten, waren von Kopf bis Fuß in Kettenpanzer gekleidet, trugen lange Lanzen vor sich her und Schilde auf dem Rücken. Mithridates sah staunend, daß auch ihre großen Schlachtrösser vollständig in Kettenpanzern steckten. Und was für einen Anblick bot erst ihr König! Er stand in einem goldenen Wagen mit kleinen Rädern, der von zwölf weißen Ochsen gezogen wurde und den ein fransengeschmückter Schirm vor der Sonne schützte! Tigranes war mit einem kunstvoll in Schichten angeordneten und mit Quasten besetzten Rock bekleidet, der mit flammendgelben Stickereien verziert war. Um seinen Oberkörper hing ein kurzärmeliger Mantel, und auf seinem Kopf thronte eine turmartige Tiara, die vom weißen Band eines Diadems zusammengehalten wurde.
Mithridates in seiner goldenen Rüstung, dem Löwenfell, den griechischen Stiefeln und mit dem juwelenbesetzten Schwert, dessen gleichfalls mit Juwelen besetztes Gehänge in der Sonne blitzte, glitt von seinem großen Braunen und ging auf der Straße mit ausgestreckten Händen auf Tigranes zu. Tigranes stieg aus seinem vierrädrigen Wagen und streckte gleichfalls seine Hände aus. Und so trafen sie sich. Dunkle Augen blickten in grüne Augen, und eine Freundschaft entstand, die nicht ausschließlich auf Zuneigung beruhte. Jeder erkannte im anderen einen Verbündeten, und jeder begann sofort abzuwägen, wie der andere für die eigenen Zwecke eingespannt werden konnte. Sie drehten sich zusammen um und gingen durch den Straßenstaub auf die Stadt zu.
Tigranes war hellhäutig, hatte aber dunkle Haare und Augen. Haare und Bart trug er lang, kunstfertig gelockt und mit goldenen Fäden durchwirkt. Mithridates hatte einen hellenisierten Monarchen erwartet, aber Tigranes sah statt dessen aus wie ein Parther; von diesen kamen seine Haar- und Barttracht und sein langes Gewand. Zum Glück sprachen er und zwei oder drei seiner höchsten Würdenträger ausgezeichnet Griechisch. Der Rest des Hofes sprach wie die Bevölkerung einen medischen Dialekt.
»Selbst in so parthischen Städten wie Ekbatana oder Susa ist es Kennzeichen des gebildeten Menschen, Griechisch zu sprechen«, sagte König Tigranes, als sie sich auf zwei königlichen Stühlen auf einer Seite des goldenen armenischen Thrones niederließen. Tigranes wollte seinen Gast nicht beleidigen, indem er ihn unter sich sitzen ließ.
»Ich bin gekommen, um einen Freundschafts vertrag und ein Bündnis mit Armenien zu schließen«, erklärte Mithridates.
In dem anschließenden Gespräch gingen die beiden anmaßenden und autokratischen Männer sehr behutsam und rücksichtsvoll miteinander um, was darauf schließen ließ, wie sehr es beide auf ein gutes Einvernehmen abgesehen hatten. Mithridates war natürlich der mächtigere Herrscher, denn er hatte keinen Oberherrn über sich, regierte ein viel größeres Reich und war außerdem viel reicher.
»Mein Vater ähnelte in vielerlei Hinsicht dem König der Part- her«, sagte Tigranes. »Die Söhne, die er bei sich in Armenien behielt, tötete er einen nach dem anderen. Daß ich diesem Schicksal entging, lag daran, daß ich im Alter von acht Jahren als Geisel zum Partherkönig geschickt wurde. Als mein Vater dann krank wurde, war ich der einzige Sohn, der ihm geblieben war. Der armenische Rat verhandelte mit König Mithridates von Parthien über meine Freilassung. Aber der Preis dafür war hoch. Siebzig armenische Täler, alle siebzig an der Grenze zwischen Armenien und dem medischen Atropatene. Das bedeutete, daß mein Land einen Teil seiner fruchtbarsten Felder verlor. Außerdem gibt
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