MoR 02 - Eine Krone aus Gras
du dann hier? Räume es auf!«
»Großer König, göttliche Majestät — er hat dich einen Barbaren genannt!«
»In seinen Augen bin ich das wohl auch«, sagte der König mit harter Stimme. »Er soll keine Gelegenheit haben, mich noch einmal einen Barbaren zu nennen. Wenn zivilisierte Menschen ihre Kraft darauf verschwenden, die Toten einer Schlacht zu begraben, obwohl es aufgrund der Jahreszeit nicht notwendig wäre, dann soll es meinetwegen so sein. Dann werden auch wir unsere Kraft darauf verschwenden. Kein Mensch, der sich zivilisiert nennt, soll mich je wieder einen Barbaren nennen können!«
Es sei denn, dein Temperament geht mit dir durch, dachte Gordios, aber laut sagte er nichts. Gaius Marius hat recht, großer König. Du bist ein Barbar.
Und so wurde das Schlachtfeld vor den Toren der Stadt Eusebeia Mazaka aufgeräumt. Die Leichenberge wurden verbrannt und die Asche unter einem großen Grabhügel vergraben, der jedoch im Vergleich zum gewaltigen Argaeus Mons winzig war. König Mithridates freilich wartete nicht, bis seine Befehle ausgeführt waren. Er schickte sein Heer heim nach Pontos, während er sich selbst nach Armenien aufmachte. Er reiste in ungewöhnlicher Aufmachung. Fast sein gesamter Hofstaat reiste mit ihm, darunter zehn Ehefrauen, dreißig Konkubinen und ein halbes Dutzend seiner ältesten Kinder. Der Zug seines Gefolges mit Pferden, Ochsenkarren, Sänften, Wagen und Packmaultieren war über eine Meile lang. Man reiste langsam und legte pro Tag nicht mehr als zehn oder fünfzehn Meilen zurück, aber man reiste ohne Pause, und Mithridates stellte sich taub gegenüber den Bitten seiner weniger robusten Frauen, doch einen oder zwei Ruhetage einzulegen. Tausend ausgewählte Reiter begleiteten ihn, genau die richtige Anzahl für eine königlich-diplomatische Mission.
Denn es war tatsächlich eine diplomatische Mission. Armenien hatte einen neuen König. Mithridates hatte davon zu Beginn seines Kappadokien-Feldzuges erfahren, und er hatte schnell reagiert und aus Dasteira Frauen und Kinder, Adlige, Geschenke, Kleidungsund Gepäckstücke kommen lassen. Die Karawane brauchte fast zwei Monate, bis sie ihren Lagerplatz am Halys bei Mazaka erreichte, und sie kam fast genau zur gleichen Zeit an, als Gaius Marius die Stadt betrat. Marius hatte den König nicht im Palast angetroffen, weil dieser gerade seinen reisenden Hofstaat besucht hatte, um sich zu überzeugen, daß alles so geregelt war, wie er angeordnet hatte.
Bisher wußte Mithridates über den neuen König von Armenien nur, daß er jung war, daß er der legitime Sohn des alten Königs Artavasdes war, daß er Tigranes hieß und vom König der Parther seit seiner frühen Kindheit als Geisel festgehalten worden war. Tigranes war ein Herrscher in seinem Alter, dachte Mithridates frohlockend, und er war der König eines mächtigen östlichen Reiches, das Rom nicht verpflichtet war und sich mit Pontos gegen Rom verbünden konnte!
Armenien lag inmitten des gewaltigen Araratgebirges und erstreckte sich im Osten bis an das Kaspische Meer. Durch Tradition und Geographie war es eng mit dem Königreich der Parther verbunden, dessen Herrscher sich stets für die westlich des Euphrat gelegenen Länder interessiert hatten.
Der bequemste Reiseweg führte am Halys entlang bis zu dessen Quellen, dann über die Wasserscheide nach Klein-Armenien, das Mithridates seinem Reich einverleibt hatte, und zum oberen Euphrat. Dann ging es über eine weitere Wasserscheide zu den Quellen des Araxes und nach Artaxata hinunter, der Stadt am Araxes und der Hauptstadt von Armenien. Im Winter wäre die Reise unmöglich gewesen, weil das ganze Land hoch gelegen war, aber im Frühsommer war sie angenehm. Sie führte durch Täler, in denen wilde Blumen blühten; die Zichorien leuchteten blau, die Primeln und Butterblumen gelb und der Mohn tiefrot. Wälder gab es nicht, nur sorgsam gehegte Baumpflanzungen, die als Windschutz dienen sollten oder für Brennholz genutzt wurden. Die jährliche Wachstumsperiode war so kurz, daß die Pappeln und Birken noch keine Blätter trugen, obwohl es schon Juni war.
Die Karawane kam durch keine Städte außer Karana und nur durch wenige Dörfer. Selbst die braunen Zelte der Nomaden bekamen die Reisenden nur selten zu Gesicht. Das bedeutete, daß Getreide mitgeführt, Obst und Gemüse unterwegs gesucht und Fleisch von Hirten gekauft werden mußte. Mithridates bemühte sich, alles, was nicht in der Wildnis zu finden war, den wenigen einfachen
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