MoR 03 - Günstlinge der Götter
konnte es sich sogar leisten, ihre unglückliche Schwiegertochter Mucia Tertia zu unterstützen und bei sich aufzunehmen.
Mit ihren fast fünfzig Jahren hatte sich Julia anscheinend nicht verändert. Nach ihrem Umzug auf den Quirinal hatte sie statt am Webstuhl oder beim Wollspinnen in guten Werken Zuflucht gesucht. Obwohl der Stadtbezirk nicht arm — und auch nicht dicht besiedelt — war, fand sie noch immer Familien, die Hilfe brauchten, sei es wegen übermäßigem Weingenuß oder wegen Krankheit. Eine weniger bescheidene Frau ohne Julias Takt hätte eine Abfuhr bekommen, aber sie konnte mit Mensehen umgehen. Und der ganze Quirinal wußte, daß man sich bei Schwierigkeiten an sie zu wenden hatte.
An diesem Tag hatte sie allerdings noch keine gute Tat vollbracht, denn sie wartete mit Mucia Tertia gespannt auf die Ankunft der Besucher.
»Ich habe einen Brief von Sulla bekommen«, sagte Mucia Tertia. »Er schreibt, ich solle wieder heiraten.«
»Das würde ja gegen sein eigenes Gesetz verstoßen, nach dem Witwen von Proskribierten nicht mehr heiraten dürfen!« sagte Aurelia verblüfft.
»Wer die Gesetze macht, kann sie ohne Schwierigkeiten umgehen, Mutter«, sagte Caesar. »Eine Sondergenehmigung unter einem Vorwand, und die Sache ist erledigt.«
»Wen sollst du denn heiraten?« fragte Aurelia.
»Das ist es ja«, sagte Julia mit finsterer Miene. »Das hat er dem armen Kind nicht gesagt. Man kann seinem Brief nicht einmal entnehmen, ob er jemanden im Auge hat oder ob sich Mucia selbst nach einem Mann umsehen soll.«
»Zeig mir den Brief.« Caesar streckte die Hand aus. Er überflog das Schreiben und gab es zurück. »Er verrät aber auch gar nichts. Befiehlt dir nur, wieder zu heiraten.«
»Ich will nicht wieder heiraten!« schrie Mucia Tertia.
Eine Weile herrschte Stille, dann brach Caesar das Schweigen. »Schreib Sulla und sag es ihm. Sehr höflich, aber bestimmt. Warte, wie er reagiert. Dann weißt du mehr.«
Mucia erschauderte. »Das kann ich nicht.«
»Das kannst du, und du weißt das auch. Sulla mag Menschen, die ihm die Stirn bieten.«
»Männer vielleicht, aber nicht die Witwe des jungen Marius.«
»Was soll ich dabei?« fragte Caesar Julia.
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Julia. »Es ist nur, weil du der einzige Mann bist, den die Familie noch hat. Deshalb dachte ich, du müßtest es erfahren.«
»Willst du wirklich nicht mehr heiraten?« fragte er Mucia.
»Glaub mir, Caesar, nein.«
»Dann schreibe ich Sulla als Familienoberhaupt.«
In diesem Augenblick schlurfte der alte Haushofmeister Strophantes in den Raum. »Du bekommst noch einen Besucher, Herrin«, sagte er zu Julia.
»Nicht jetzt!« rief sie ärgerlich. »Sag ihm, ich sei nicht da, Strophantes.« »Er verlangt insbesondere, deine Schwiegertochter Mucia zu sprechen.«
»Wer ist es?« fragte Caesar scharf.
»Gnaeus Pompeius Magnus.«
Caesar machte ein böses Gesicht. »Der Heiratskandidat, nehme ich an!«
»Aber ich bin Pompeius doch noch nie begegnet«, schrie Mucia Tertia.
»Ich auch nicht«, sagte Caesar.
Julia wandte sich ihm zu. »Was sollen wir machen?«
»Nun, wir empfangen ihn, Tante Julia.« Und Caesar nickte dem alten Mann zu. »Hol ihn herein.«
Der Haushofmeister schritt ins Atrium zurück, wo der Besucher, nach Rosenöl duftend, ungeduldig wartete.
»Folge mir, Gnaeus Pompeius«, sagte Strophantes keuchend.
Pompeius hatte seit Sullas Hochzeit auf Neues zu der mysteriösen Braut gewartet, die der Diktator ihm versprochen hatte. Als er erfuhr, daß Sulla mit seiner Frischvermählten aus den Ferien zurückgekehrt war, wartete er auf einen Ruf des Diktators, der aber nicht kam. Schmachtend vor Ungeduld, ging er schließlich von sich aus zu Sulla und fragte nach dem Stand der Dinge.
»Welcher Stand der Dinge?« fragte Sulla unschuldig.
»Das weißt du sehr genau!« knurrte Pompeius wütend. »Du hast gesagt, du hättest eine Frau für mich im Auge!«
»Das habe ich auch! Allerdings!« Sulla kicherte. »Meine Güte, diese Ungeduld der Jugend!«
»Sagst du mir es jetzt, du gehässiger alter Folterknecht?«
»Beschimpfungen, Magnus! Keine Beschimpfungen des Diktators!«
»Wer ist es?«
Sulla gab nach. »Die Witwe des jungen Marius, Mucia Tertia«, sagte er. »Die Tochter von Scaevola Pontifex Maximus und Licinia der Schwester von Crassus Orator. In ihr ist sehr viel mehr Mucius Scaevola als echter Licinius Crassus, denn ihr Großvater mütterlicherseits war auch der prüder ihres Großvaters
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