MoR 03 - Günstlinge der Götter
holt ihre Tochter nach Rom.«
Und da war Aurelia. Aufrecht saß sie auf einem stämmigen Maultier, tadellos frisiert und mit makellos sauberem braunen Reisekleid. Bei ihr waren ihre gallische Magd Cardixa und noch eine Dienerin, die Sertorius nicht kannte.
»Quintus Sertorius«, begrüßte sie ihn, sofort die Herrin der Situation.
War das eine Frau! Als Sertorius zu Norbanus gesagt hatte, er schätze eigentlich nur eine Frau wirklich, seine Mutter, hatte er nicht an Aurelia gedacht. Sie war in seinen Augen die einzige Frau der Welt, der es gelang, Schönheit und Vernunft zu verbinden. Außerdem war sie ehrenwert wie ein Mann, erzählte keine Lügen, stöhnte und klagte nicht, arbeitete hart und kümmerte sich um ihre eigenen Angelegenheiten. Sertorius und Aurelia waren fast genau gleich alt — vierzig — und kannten einander, seit Aurelia vor über zwanzig Jahren Gaius Julius Caesar geheiratet hatte.
Die beiden entfernten sich ein paar Schritte vom Rest der Gesellschaft.
»Hast du meine Mutter in letzter Zeit gesehen?« fragte Sertorius.
»Nicht seit den ludi Romani des letzten Jahres, wo auch du sie gesehen hast. Doch sie wird auch in diesem Jahr während der Spiele bei uns wohnen. Das ist schon eine feste Gewohnheit geworden.«
»Sie wohnt nie bei mir.«
»Sie ist einsam, Quintus Sertorius, und dein Haus ist leer. Bei uns herrscht geschäftiges Treiben, und das mag sie — zumindest einmal im Jahr, wenn die Spiele stattfinden.«
»Habt ihr euch wirklich verirrt, wie Decumius sagt?«
Aurelia nickte seufzend. »Ich fürchte ja. Wenn mein Sohn davon erfährt, wird er mir ewig Vorhaltungen machen. Aber als Jupiterpriester darf er Rom nicht verlassen, deshalb habe ich mich Burgundus anvertraut.« Sie sah zerknirscht aus. »Cardixa sagt, er finde nicht einmal vom Forum in die Subura, und ich habe geglaubt, sie übertreibe. Jetzt weiß ich, daß sie kein bißchen übertrieben hat.«
»Und Lucius Decumius und seine Söhne wissen den Weg auch nicht?«
»Außerhalb der Stadtmauern sind sie verloren. Aber ich könnte mir keine aufmerksameren Beschützer wünschen. Und jetzt haben wir ja dich getroffen. Du kannst uns sicher sagen, wie wir auf dem schnellsten Weg zu Quintus Pedius gelangen.«
»So schnell geht es nicht, aber den Weg kann ich euch zeigen.« Der Einäugige betrachtete sie nachdenklich. »Du holst deine Tochter nach Hause, Aurelia?«
Sie errötete. »Es ist nicht ganz so. Quintus Pedius hat mich in einem Brief gebeten zu kommen. Anscheinend lagern sowohl Scipio als auch Sulla in unmittelbarer Nähe seiner Ländereien, und er meint, Lia sei woanders sicherer. Aber sie weigert sich zu gehen!«
»Sie ist so eigensinnig wie ihr Vater«, sagte Sertorius lächelnd. »Recht hast du! Eigentlich hätte ich ihren Bruder schicken sollen. Wenn er etwas befiehlt, gehorchen seine beiden Schwestern sofort. Doch Quintus Pedius scheint der Ansicht zu sein, ich könnte das auch.«
»Bestimmt. Denn daß dein Sohn sich durchsetzen kann, hat er von dir, Aurelia.« Sertorius wechselte das Thema. »Bitte verstehe, daß ich in Eile bin. Ich kann dich zwar ein Stück begleiten, aber leider nicht bis zu Quintus Pedius. Dazu mußt du dich an Sulla wenden. Er lagert zwischen dem Gebiet, wo wir uns gerade befinden, und Quintus Pedius’ Ländereien.«
»Und du bist auf dem Weg zu Scipio«, sagte sie und nickte.
»Eigentlich wollte ich nicht zu ihm. Aber dann fiel mir ein, daß meine Ausrüstung, von der ich mich nicht trennen möchte, noch in Scipios Lager ist.«
Aurelia musterte ihn mit ihren veilchenblauen Augen. »Aha! Scipio hat in deinen Augen nicht bestanden.«
»Dachtest du, daß er es könnte?«
»Nein, nie.«
Eine kleine Pause entstand. Sie ritten jetzt den Weg zurück, den sie gekommen waren; Aurelias Begleiter hatten sich ihnen wortlos angeschlossen.
»Was wirst du tun, Quintus Sertorius?«
»Sulla so viele Schwierigkeiten bereiten, wie ich nur kann. Ich will nach Sinuessa. Aber zuerst hole ich meine Ausrüstung aus Scipios Lager.« Er räusperte sich. »Ich kann dich bis zu Sulla begleiten. Er wird nicht versuchen, mich festzuhalten, wenn ich mit dir komme.«
»Nein, begleite uns nur bis zu einer Stelle, von der wir sein Lager finden, ohne uns zu verlaufen.« Aurelia seufzte in froher Erwartung. »Wie schön es ist, Lucius Cornelius wiederzusehen! Zuletzt war er vor vier Jahren in Rom. Er hat mich immer gleich nach seiner Ankunft und kurz vor seiner Abreise besucht. Es war eine Art Tradition, die ich
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