MoR 03 - Günstlinge der Götter
sonst immer gemacht.«
»Aber diesmal ist es nicht wie sonst — du kommst mit einer Armee. Oder vielleicht habe ich geahnt, daß du mich zum erstenmal nicht besuchen würdest. Doch nein, lieber Lucius Cornelius, du wirst nie erraten, warum ich hier bin: Ich habe mich verirrt!«
»Verirrt?«
»Ja. Ich bin auf der Suche nach Quintus Pedius. Meine Tochter will nicht nach Rom kommen, aber Quintus Pedius — ihr zweiter Mann, was du wohl nicht weißt — will nicht, daß sie sich in der Nähe zweier befestigter Lager aufhält.« Sie hatte das unbekümmert und überzeugend gesagt, dachte sie. Das müßte ihn eigentlich beruhigen.
»Habe ich dich erschreckt?« fragte er.
Sie versuchte nicht zu heucheln. »In gewisser Weise schon. Vor allem deine Haare — ich nehme an, sie sind dir ausgefallen.«
»Meine Zähne auch.« Er entblößte das Zahnfleisch wie ein Affe.
»Dem Alter entgeht keiner.«
»Du würdest bestimmt nicht wollen, daß ich dich noch einmal so küsse wie vor einigen Jahren.«
Aurelia neigte den Kopf und lächelte. »Ich wollte schon damals nicht, daß du mich küßt, auch wenn es mir gefallen hat. Es war zuviel für meinen Seelenfrieden. Wie du mich gehaßt hast!«
»Was hast du erwartet? Du hast mich zurückgestoßen! Ich hasse es, verschmäht zu werden.«
»Ich erinnere mich noch gut daran.«
»Ich erinnere mich noch an die Trauben.«
»Ich auch.«
Er atmete tief ein und schloß die Augen. »Wenn ich nur weinen könnte.«
»Ich bin froh, daß du es nicht kannst, lieber Freund«, sagte sie zärtlich.
»Damals hast du um mich geweint.«
»Ja, aber jetzt nicht mehr. Das wäre, als würde ich einer lange entschwundenen Erscheinung nachtrauern. Du bist hier, und darüber freue ich mich.«
Schließlich stand er auf, ein müder alter Mann. »Einen Becher Wein?«
»Ja, gern.«
Aurelia fiel auf, daß er aus zwei verschiedenen Flaschen eingoß. »Du würdest den Wein nicht mögen, den ich zur Zeit trinken muß. So trocken und so sauer wie ich selbst.«
»Ich bin auch trocken und sauer geworden, aber ich bestehe nicht darauf, deinen Wein zu probieren, wenn du mir nicht dazu rätst.« Sie ergriff den Becher, den er ihr reichte, und nahm dankbar einen Schluck. »Danke, das tut gut. Es war ein langer Tag für uns.«
»Was fällt deinem Mann ein, dich seine Arbeit tun zu lassen? Ist er wieder unterwegs?« fragte Sulla etwas entspannter.
Der strahlende Blick ihrer Augen verdunkelte sich. »Ich bin seit zwei Jahren Witwe, Lucius Cornelius.«
»Gaius Julius ist tot? Er war so gesund, wie ein Mensch nur sein kann! Ist er auf dem Schlachtfeld gestorben?«
»Nein, einfach so — ganz plötzlich.«
»Und hier bin ich, tausend Jahre älter als Gaius Julius, und lebe immer noch.« Seine Worte klangen bitter.
»Du bist ein großer Mann, er war nur Mittelmaß. Er war ein guter Ehemann, und ich war gern mit ihm verheiratet. Aber ich glaube, er war kein Mensch, der unbedingt weiterleben mußte.«
»Vielleicht starb er deshalb. Wenn ich Rom erobere, hätte er es schwer gehabt. Ich nehme an, er hätte sich für Carbo entschieden.«
»Wegen Gaius Marius folgte er Cinna. Aber Carbo? Das weiß ich nicht.« Sie wechselte das Thema, allmählich an seinen Anblick gewöhnt. Er, der einst schön gewesen war wie Apollo! »Wie geht es deiner Frau, Lucius Cornelius?«
»Gut, soviel ich weiß. Sie ist noch in Athen und hat mir letztes Jahr Zwillinge geschenkt, einen Jungen und ein Mädchen.« Er lachte in sich hinein. »Sie hat Angst, die Kinder könnten später ihrem Onkel Schweinebacke ähnlich sehen.«
»Ach, die Ärmsten! Aber es ist schön, Kinder zu haben. Hast du je daran gedacht, wie es deinen anderen Zwillingen ergehen mag, den Söhnen deiner germanischen Frau? Sie müßten inzwischen zu jungen Männern herangewachsen sein.«
»Junge Cherusker, die Römer bei lebendigem Leib in Käfigen rösten!«
Er klang jetzt ruhiger, weniger gequält. Natürlich hatte sie damit rechnen müssen, daß er sich verändert hatte — aber nie hätte sie erwartet, daß er seine einzigartige Ausstrahlung verlieren würde. Und doch war er Sulla geblieben. Seine Frau, dachte Aurelia, liebte ihn bestimmt noch genauso wie früher.
Sie unterhielten sich noch einige Zeit über dies und das und ließen die vergangenen Jahre noch einmal passieren. Aurelia merkte, daß er gerne von seinem Schützling Lucullus sprach, und er merkte, daß sie gern über ihren einzigen Sohn sprach, der jetzt Caesar genannt wurde.
»Soweit ich mich
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