MoR 03 - Günstlinge der Götter
hinunter und erreichte Dertosa am Nordufer des Ebro, ohne auf Widerstand zu treffen. Erst als er sich anschickte, die Furt zu überqueren, griffen ihn zwei Legionen unter Herennius an. Doch Pompeius hatte sie schnell abgewehrt, und mit stolzgeschwellter Brust rückte er weiter nach Süden vor. Wenig später stellte sich ihm Herennius erneut entgegen, diesmal durch zwei Legionen des Perperna verstärkt. Als jedoch die ersten Soldaten seiner Vorhut fielen, zog dieser sich eilig nach Süden zurück.
Pompeius’ Kundschafter leisteten hervorragende Arbeit. Als er stetig weiter vorrückte, meldeten sie, Herennius und Perperna hätten sich im feindlichen Valentia verkrochen, einer großen Stadt fast hundert Meilen weiter südlich. Da die Vorräte des Heeres schrumpften, beschleunigte Pompeius das Marschtempo; Valentia lag am Turia-Fluß, dessen weites Schwemmland extrem fruchtbar war und intensiv bestellt wurde. Als er Saguntum erreichte, meldeten ihm seine Kundschafter, Sertorius selbst sei weit weg und könne Herennius und Perperna unmöglich helfen, Valentia zu halten. Offensichtlich hatte Sertorius befürchtet, Metellus Pius könnte den Oberlauf des Tagus überqueren und in Nordspanien einfallen, und war deshalb mit seinem Heer bei Segontia in Stellung gegangen, um Metellus dort entgegenzutreten, falls dieser aus dem schmalen Gebirgszug auftauchte, der den Tagus vom Ebro trennte. Ein schlauer Plan, Sertorius, dachte Pompeius selbstgefällig, aber besser wäre es gewesen, du könntest jetzt Herennius und Perperna helfen!
Es war inzwischen Mitte Mai, und Pompeius mußte erleben, wie grausam ein langer Sommer im spanischen Tiefland sein konnte. Er mußte auch erfahren, wieviel Wasser seine Männer an einem einzigen Tag trinken konnten und wie schnell sie die Nahrungsmittelvorräte verbrauchten. Bis zur Erntezeit waren es noch einige Monate, und seit der Überquerung des Ebro hatte Pompeius in den Getreidespeichern der Städte, die er passierte, nur wenig Korn gefunden. Die Küste, die laut den Schilderungen seiner Ratgeber so reich war, war nicht mit der italischen Küste zu vergleichen. Pompeius hatte die Adriaküste immer für arm und spärlich besiedelt gehalten, aber sie war fruchtbarer und dichter besiedelt als die, an der er jetzt entlangzog.
Auch als er in Saguntum Getreide requirieren wollte, hatte er kein Glück. Die Stadt betonte, daß sie immer treu zu Rom gestanden habe, konnte aber leider kein Getreide erübrigen. Piraten hatten ihre Getreidespeicher ausgeraubt, und die Einwohner hatten selbst nicht genug zu essen, bis die Ernte eingebracht war. Valentia und die fruchtbaren Ebenen der Turia lockten jetzt mehr denn je. Und Pompeius brach sein Lager ab und marschierte los. Wenn der Eindruck nicht trog, den die gewaltigen Felswände im Landesinnern machten, dann mußte es für jedes Heer sehr schwierig sein, das spanische Binnenland zu durchqueren, und Sertorius hatte, wenn er Anfang Mai wirklich noch in Segontia gewesen war, nicht die geringste Chance, Valentia vor Ende Juni zu besetzen. Doch auch das nur, wenn er fliegen lernte, wie die Kundschafter Pompeius versicherten. Pompeius glaubte ihnen, denn es wollte nicht in seinen Kopf, daß ein anderer Feldherr sein Heer schneller bewegen könnte als er selbst. Es war nicht auszuschließen, daß die Kundschafter ehrlich waren, wahrscheinlich aber logen sie, weil sie im Solde des Sertorius standen. Jedenfalls war Pompeius noch keinen Tagesmarsch von Saguntum entfernt, als er erfahren mußte, daß Sertorius mit seinem Heer bereits zwischen ihm und Valentia stand — und eifrig damit beschäftigt war, die Rom treue Stadt Lauro zu belagern.
Pompeius wollte einfach nicht begreifen, daß Sertorius jeden Pfad, jede Biegung, jedes Tal und jeden Paß zwischen dem Mittelmeer und den Bergen Westspaniens kannte und sich mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit durch dieses Territorium bewegen konnte. Jedes Dorf und jeder Weiler hätte ihm all seine Nahrungsmittel gegeben, wenn er darum gebeten hätte. Die Dorfbewohner vergötterten ihn beinahe. Kein Keltiberer und kein Lusitanier freute sich nämlich über die römische Präsenz in Spanien. Sie alle hatten die Erfahrung gemacht, daß es den Römern nur darum ging, die Reichtümer des Landes auszubeuten. Daß ihre strahlende neue Hoffnung Sertorius selbst ein Römer war, betrachteten die spanischen Eingeborenen als ein spezielles Geschenk ihrer Götter. Denn wer hätte die Römer besser bekämpfen können als ein
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