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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Version der Salbe roch, konnte Varro an seinen Händen feststellen.

Der früh und heftig einsetzende Winter bescherte Rom Schnee, und viele Einwohner nahmen die ungewöhnliche Kälte für ein schlechtes Omen. Norbanus und Scipio Asiagenus waren nach ihrer Niederlage nicht zurückgekehrt, und was man sonst von ihnen hörte, gab wenig Anlaß zu Optimismus; Norbanus war in Capua eingeschlossen, und Scipio zog auf der Suche nach neuen Rekruten durch Etruria.
    Gegen Ende des Jahres erwog der Senat, eine Sitzung einzuberufen, um über seine — und Roms — Zukunft zu debattieren. Die unter Sulla sehr umfangreiche Körperschaft war auf rund ein Drittel ihrer Mitglieder zusammengeschrumpft; viele Senatoren waren Sulla damals nach Griechenland gefolgt, und viele hatten sich ihm jetzt, da er nach Italien zurückgekehrt war, angeschlossen. Zwar beteuerte eine Gruppe von Senatoren, neutral zu sein, aber in Rom wußte jedermann, vom Patrizier bis zum Sklaven, wo die Grenze zwischen den Lagern verlief. Italien und das italische Gallien waren nicht groß genug, als daß Sulla und Carbo friedlich hätten nebeneinander regieren können; zu unterschiedlich waren die Werte, für die sie standen, und ihre Vorstellungen der künftigen Staatsform und Entwicklung Roms. Sulla stand für das mos maiorum, die Gesamtheit jener jahrhundertealten Sitten und Gebräuche, die den landbesitzenden Adligen die Führung in Friedens- und in Kriegszeiten übertrug. Carbo vertrat die Händler und Geschäftsleute — den Ritterstand und die Zahlmeister. Da keine Gruppe sich auf eine Machtteilung einlassen wollte, konnte nur ein Bürgerkrieg die Entscheidung herbeiführen.
    Daß der Senat überhaupt mit dem Gedanken an eine Sitzung spielte, lag in der Rückkehr Carbos aus Ariminum im italischen Gallien begründet. Marcus Junius Brutus, jener Volkstribun, der durchgesetzt hatte, daß Capua den Status einer vollrömischen Stadt erhielt, hatte Carbo herbeigerufen. Die beiden Männer trafen sich in Brutus’ Haus auf dem Palatin, das Carbo als langjähriger Freund von Brutus bereits gut kannte. Zudem war es eine verschwiegenere Örtlichkeit als Carbos eigenes Domizil, wo Gerüchten zufolge selbst der Bursche, der die Nachttöpfe leerte, gleich von mehreren an Carbos Plänen interessierten Parteien bestochen wurde.
    Brutus verdankte die Tatsache, daß sein Haus frei von korrupten Sklaven war, vor allem seiner Frau Servilia, die in ihrem Haushalt mehr auf Disziplin achtete, als Scipio Asiagenus es in seiner Armee getan hatte. Servilia, die über so viele Augen wie Argus und so viele Ohren wie eine ganze Fledermauskolonie zu verfügen schien, tolerierte nicht das geringste Fehlverhalten. Einen Diener, der ihr an Schläue und Durchtriebenheit überlegen war, gab es nicht, und ein Diener, der sich von ihr nicht einschüchtern ließ, blieb nicht lange im Haus.
    Brutus und Carbo konnten sich also sicher sein, daß kein Unberufener ihrer streng vertraulichen Konversation zuhörte, natürlich mit Ausnahme von Servilia selbst. Nichts geschah oder wurde in diesem Haus gesagt, worüber sie nicht Bescheid wußte, und sie sorgte dafür, daß auch diese streng vertrauliche Unterhaltung nicht außerhalb ihrer Hörweite stattfand. Die beiden Männer saßen hinter verschlossenen Türen in Brutus’ Arbeitszimmer, doch draußen im Säulengang kniete Servilia unter dem einen offenen Fenster und belauschte ihre Unterhaltung. Es war ein kalter und unbequemer Ort, aber Servilia empfand das als geringe Unbill im Vergleich zu dem, was sie von dem Gespräch der beiden Männer würde aufschnappen können.
    »Wie geht es meinem Vater?« fragte Brutus.
    »Gut. Er läßt dich grüßen.«
    »Daß du seine Gesellschaft ertragen kannst!« brach es aus Brutus heraus, er fügte jedoch, erschreckt über den Ausruf, zu dem er sich hatte hinreißen lassen, hinzu: »Entschuldige, ich wollte nicht wütend klingen. Ich bin nicht wütend.«
    »Nur verwirrt, daß ich mit deinem Vater auskomme?«
    »Du sagst es.«
    »Er ist dein Vater«, sagte Carbo beschwichtigend, »und er ist ein alter Mann. Ich kann zwar verstehen, warum du ihn als Belastung empfindest, aber für mich ist er das nicht. Nachdem sich Verres mit dem letzten Geld aus meiner Statthalter-Schatulle davongemacht hatte, mußte ich mich sowieso nach einem neuen Quästor umsehen. Wie du weißt, sind dein Vater und ich einander seit Marius’ Rückkehr aus dem Exil in Freundschaft verbunden.« Carbo machte eine Pause. Wahrscheinlich

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